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HerrKules: Hat sich Ihrer Meinung nach hier irgendwas verändert im Laufe Ihres Lebens in der Stadt, also von den Leuten, sind die anders geworden, freundlicher oder unfreundlicher ? 

Roland K: Hier an den Leuten, in der Stadt ? Ich will ja nichts schlechtes sagen, erstmal die ganze Bannoffstraße, früher hatten wir WEKA, wir hatten Kaufhalle, wir hatten das, das, das, was haben wir heute, nur ein Billig-Laden nach dem anderen. Und nich, dass ich jetzt irgendwas verkehrtes sach, ich steh von morgens bis abends hier, und jeder 2. oder 3., der vorbeigeht … die ganze Bannoffstraße. Wir hatten früher hier 8 Kinos in Gelsenkirchen, was haben wir denn heute noch hier ? Bannoffstraße iss auf deutsch gesacht tote Hose. Da kann ich auch auffen Friedhof gehn, auf deutsch gesacht, da iss mehr los als hier auffe Bannoffstraße. Ein Laden, ein Geschäft nach dem anderen macht doch zu. Was haben wir denn noch hier, Kaufhof und C + A, nur noch ein Billigladen nach dem anderen. Jaja. Das sind Tatsachen, aber nich, dass ich das böse mein.

HerrKules: Nein nein, das ist ja so. 

Roland K: Ja, aber so isses. Auch wenn du so siehst, wenn ich da steh, die Jungen, die da vorbeikommen – ob das Deutsche sind oder Dings, da wird man von denen noch angemacht.  

HerrKules: Passiert das ? 

Roland K: Ja, sicher. 

HerrKules: Was sagen die ? 

Roland K: Penner – ich sach, pass mal auf – aber man darf ja nix machen, und ich würd auch nix machen. 

HerrKules: Aber die Stimmung ist rauher geworden ? 

Roland K: Echt rauher geworden. 

HerrKules: Ja, aber bei allen Jugendlichen. Oder sind es auch ältere Leute, die so was sagen ? 

Roland K: Ältere Leute weniger. Ich komm mit den älteren Leuten gut aus. 

HerrKules: Mh, so perspektivisch, sowas, wovon Sie träumen, wäre also so was ähnliches wie eine Familie, also irgendwo wieder mit Menschen zusammen leben können, dass man nicht so alleine ist ? 

Roland K: Ja. Ja.  – Nickt – 

HerrKules: Und was stellen Sie sich eventuell so darunter vor ? Irgendeine Wohngemeinschaft  oder irgendsowas ?  

Roland K: Das wär mir egal. Nur, das einzichste, was ich mir wünsch … Stimme versagt … wieder mit meiner Familie ….Entschuldigung… 

HerrKules: Nee, das ist völlig in Ordnung. 

Roland K: Oder so wieder, irgendwo wieder in so´ner Gemeinschaft, wo man sich abends unterhalten kann , sprechen kann, ich hab doch keinen. 

HerrKules: Und gibt es denn da nicht Angebote von kirchlichen Trägern oder Stadt ? 

Roland K: Bis jetzt hab ich noch keine gekricht.  

HerrKules: Ja, müsste man sich vielleicht mal erkundigen. 

Roland K: – Nickt, weint – 

HerrKules: Wie sieht denn sonst das Leben aus ? Haben Sie unter den anderen Obdachlosen, haben Sie Kontakt mit denen oder halten Sie sich von denen fern ?

Roland K: Ich hab hier mit vielen Leuten Kontakt. Da komm ich echt gut mit aus. Aber ich halt mich echt fern davon. 

HerrKules: Also doch ein bisschen Distanz ? 

Roland K: Ja, genau, wie Sie gesacht haben mit dem Caub-Bunker, dass iss nich mein Bier, genau so gut gesacht, hier, du kannst hier beim Löffel essen gehn – ich möcht das nich.    

HerrKules: Was ist der Löffel ? 

Roland K: Iss hier direkt, da kann man morgens für 50 Cent Kaffee trinken gehn, auch mittags essen. 

HerrKules: Da im Aloysianum ? 

Roland K: Ja. 

HerrKules: Ah ja, und gehn Sie auch zur Tafel essen ? 

Roland K: Nein, ich hab auch damals, bevor ich die Fifty-Fifty gekricht hab  – zeigt auf seine Zeitungen – hab ich vonne Tafel die Uhu verkauft. Da gab es ja auch die Zeitung. Nur die gibt es im Moment nich mehr. Da hab ich die Uhu verkauft, da stand ich öfter drin inne Tafel, hab mal ne Zeitung geholt, jeden 2. Tach, aber möcht ich nich. 

HerrKules: Nein, warum nicht ? 

Roland K: Ich weiß es nich. Soviele haben gesacht, komm, kannst da essen. Aber ich möchte das nich. 

HerrKules: Mh, die Fifty ist eine Essener Zeitung, und die Uhu war eine Gelsenkirchener ?

Roland K: War eine Gelsenkirchener Zeitung. Hier vonne Tafel.  

HerrKules: Und die wurde zugemacht, eingestellt ? 

Roland K: Ja, eingestellt. Ja, weil kein … lief nich so gut, und die Fifty iss eigentlich die größte, die es überhaupt gibt. 

HerrKules: Was heißt, lief nicht so gut, die Nachfrage war nicht so gut, oder gab es keine Redakteure, die Artikel geschrieben haben?  

Roland K: Ja, es gab Redakteure, nur, es gab zu wenig Verkäufer. 

HerrKules: Ach so, jetzt versteh ich.  

Roland K: Ich glaub, ich war der einzichste, der hier in Gelsenkirchen stand, und dann stand noch einer in Herten, die die Zeitung verkauft haben. 

HerrKules: Es stimmt, es scheint hier wenig Straßenverkäufer zu geben. In anderen Städten sind mehr unterwegs. Woran liegt das denn ? 

Roland K: Ja, wenn man so sieht in Essen, jede 5 oder 10 Meter steht einer. 

HerrKules: Woran liegt das ? 

Roland K: Ich weiß das nich. Das iss ja auch genau so, ich hier mit meine Fifty-Fifty,ich darf mich noch nichmals vor die Sparkasse stellen. 

HerrKules: Ach, haben Sie ein Verbot ? 

Roland K: Es ist ein Verbot. Ich darf nich im Bannoffs-Center, das steht in meinem Ausweis drin, im Bannoffs-Center, wenn es am regnen war, so windig war, dacht ich, geh im Bannoffs-Center, überdacht, darf ich nich, iss verboten.      

HerrKules: Verkaufen – aber stehen darf man doch. 

Roland K: Nur stehn, nur, ich darf die Zeitung nich verkaufen.  

HerrKules: Vor´m Bahnhofscenter ? Also vor dem Bahnhof ? 

Roland K: Nein, im Bannoff. Iss verboten und vor der Sparkasse iss auch verboten, darf ich nich.

HerrKules: Wer sagt das ? 

Roland K: Das iss vom Verlag und steht im Ausweis drin. 

HerrKules: Ach so, das steht in den Bedingungen drin. 

Roland K: Nee, da darf ich nich. Und ich hab auch gedacht, was iss dabei. Ich steh vor der Sparkasse : Die Obdachlosenzeitung ! Ich tu doch keinem was. Oder geh durch das Bannoffs-Center  „Die Obdachlosenzeitung mitnehmen !“  Ich tu doch keinem was, aber iss verboten. Nur… im Bannoffs-Center … ich hab nix gegen die Leute, die da sitzen, auf deutsch gesacht und Bettler, die dürfen das, und wir dürfen das nich. Und ich mach doch was.     

HerrKules: Ja, Sie arbeiten. Kennen Sie die Bettler, die hier auf der Bahnhofstraße sitzen ? 

Roland K: Ich kenne 2 Stück, aber die Namen weiß ich nich. Iss einmal der Kalle und der Udo, aber wo die wohnen, weiß ich nich. Der eine wohnt im Caub-Bunker, den Nachnamen weiß ich nich. Und die anderen, die kommen – meistens immer am Letzten oder am Ersten. Das sind Rumänen, die werden abgesetzt.

HerrKules: Ah ja.

Roland K: Das sind 7, 8 Leute, auch Frauen bei, manchmal auch ganz junge Mädchen, und die sitzen da, aber die kenn ich nich.

HerrKules: Da gibts auch keine Konflikte mit ? 

Roland K: Nein, überhaupt nich. Ich halt mich da von denen fern und fertich. Ich steh da und verkauf meine Zeitung so gut, wie ich es machen kann und fertich. Mehr iss nich.   

HerrKules: Und der Kollege, der bettelt, warum will der keine Zeitung verkaufen ? 

Roland K: Ich hab ihn mal angehaun, er sacht, er hat keine Interesse. Ich hab den andern Kollegen auch mal angesprochen, ich hab gesacht, hör mal, versuch es doch mal – nein, er hat kein Interesse. Na gut, sach ich, dann ist das deine Sache und fertich. 

HerrKules: Ja, ist doch in Ordnung. 

Roland K: Ja, dann geht er lieber betteln. 

HerrKules: Ist auch anstrengend. 

Roland K: Ja, sicher iss das anstrengend, überhaupt, auch wenn ich seh, so die Rumänen, die müssen auffe Knie, von morgens bis abends knien die da, bei Wind und Wetter. Und dann im Freien, die Leute tun einem richtich leid. 

HerrKules: Gut. Wenn Sie sich was wünschen könnten, um nochmal auf die Frage zurückzukommen, wenn Sie 3 Wünsche frei hätten, was würden Sie dann machen ?      

Roland K:  Meine Frau und meine Kinder … wär der erste Wunsch. Der Zweite, wieder unter Kollegen sein, ja und der Dritte, dass ich gesund bleib. 

HerrKules: Gehen Sie heute essen irgendwo ? 

Roland K: Nein, – wird ganz leise – , höchstwahrscheinlich beim Kollegen. 

HerrKules: Wie ernähren Sie sich denn, also, wenn Sie den ganzen Tag da stehen, essen Sie zwischendurch nichts ? 

Roland K: Ab und zu geh ich mal inne Bäckerei, hol mir ein Brötchen… und  .. ich kann ja nich, manchmal steh ich, verkauf ich 3 Zeitungen.. 

HerrKules: Das ist nicht viel. 

Roland K: – Schüttelt den Kopf –  

HerrKules: Da kommt nicht viel bei rum. 

Roland K: Ja, und da kann ich nich von essen. 

HerrKules: Gut, jetzt wirds hier langsam laut, vielleicht trinken wir einen Schluck, und ich danke Ihnen dann für das Gespräch. 

Roland K: Bitt schön. 

HerrKules: Danke schön. 

Roland K: Hauptsache, war ne nette Unterhaltung.

HerrKules: Ja, natürlich. 

Roland K: Das sind nur Tatsachen. Mehr kann ich dazu nich sagen ….. 

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Von Heinz Niski

Handwerker, nach 47 Jahren lohnabhängiger Arbeit nun Rentner. Meine Helden: Buster Keaton, Harpo Marx, Leonard Zelig.

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