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Muddy Echoes pumpen Druck-Rock und Elektro-Beats in die Ohren von 65 Fans, lassen den charismatischen, irrlichternden Frontmann Lars Matura als Anti-Held Superstar sein. Der derwischt an langer Leine des Bassisten Stefan Gonska seine Gasmasken- und Zwiebelschälbrillenkollektion durch den Raum,

zerscheppert seinen Goldkehlchen-Gesang über ein Megaphon, legt noch eine Alarmsirene drüber, während Dale Lohse und Julian Rengeling ihm Takt und Rhythmus unterlegen. Erfrischend verrückt, bezaubernd intelligent, zersingen und -spielen sie die Mechanismen des Medienbusiness, brechen ironisch Personenkult-Erwartungen, persiflieren Zeitgeist-Hype, um sich letztlich doch nicht davor retten zu können. Die Anti-Band ist Kult-Band. Gut für Ohr & Auge, Herz & Hirn.

So schrieb HerrKules im Oktober 2011 über einen Auftritt der Band. Zeit also, sich näher mit dieser Band mit „Böse Buben“ Image zu befassen. Muddy Echoes

HerrKules: Müsste ich mit Guerilla Aktionen der Musikterroristen der asigsten Band Gelsenkirchens rechnen, wenn ich sie als Mischung aus entbombastisierter Earth Band und Talking Head Light Version beschreiben würde?

Dale Lohse: Nein. Wir fühlen uns wohl in der Gemischtwarenschublade und bedienen kein Genre, mischen Pop mit Metal, Folk und Electro-Industrial, unsere verschiedenen musikalischen Hintergründe erlauben das.

Julian Rengeling: Guerilla gibt es nur spontan und will gut überlegt sein.

Herrkules: Ist euer Slogan „wichs der Leistungsgesellschaft ins Gesicht“ ein bewusst gewähltes Paradoxon oder sehnsuchtsvoller Tätigkeitsaufruf und Leistungsermunterung von am Leben zerbrochenen Schmuddelkindern?

Stefan Gonska: Wir lästern damit über den Tempo-Hype mancher Kollegen. Deren Gitarrenläufe kann man kaum noch von Computergenerierter Musik unterscheiden. Geschwindigkeit um der Geschwindigkeit Willen ist nicht unsere Sache, da sind wir tatsächlich Leistungsverweigerer, machen handgemachte Musik, erlauben uns Fehler …..

Julian Rengeling: … und schuften um zu schuften, im Hamsterrad zu stecken, steht nicht auf unserem Plan. Ist ein Sprachspiel, um auch lebensfeindliches Konsum- und Arbeitsverhalten zu hinterfragen.

HerrKules: Ihr nennt eure Gigs schon mal Abschaumparty mit Publikumsbeschimpfung. Was von eurem „Renitente Rebellen“ Image hält einer Überprüfung stand? Lars, bist du der Johnny Rotten des Probenzentrums Consol?

Lars Matura: (lacht) wer ist das? Nein, wenn dann Freddy Mercury. Skandale zetteln wir nur an, weil wir uns dort nicht soooo genau an den Putzplan halten und Punk ist auf Dauer sehr eindimensional.

HerrKules: Ist eure Botschaft ein System zerstörendes punkiges „No Future“ oder ein absurd existentialistisches “ life is what happens to you while you `re busy making other plans?“

Lars Matura: Die Botschaft? Brecht:

“ Ja, renn nur nach dem Glück doch renne nicht zu sehr!

Denn alle rennen nach dem Glück Das Glück rennt hinterher.

Denn für dieses Leben ist der Mensch nicht anspruchslos genug“

Dale Lohse: Wir sind keine Polit-Band. Unsere Eltern hören die selbe Musik wie wir, wir haben uns keine Freiräume erkämpfen müssen, die Systemveränderer zu spielen wäre unglaubwürdig.

Lars Matura: Unser Song „War In High Definition“ ist ein Anti-Kriegs-Song, der aber als lakonische Beschreibung, Feststellung ohne Bewertung daher kommt…..

HerrKules: … und der rätselhafte Songtext „Unknown Observer“ ist ein Hinweis auf eure tiefe Religiosität, Spiritualität oder doch nur Paranoia vor fremdbestimmtem Leben?

Lars Matura: .. ist einfach ein Song über einen Gott, der beobachtet, aber nicht eingreift.

Julian Rengeling: … oder über die Empfindlichkeiten von persönlichkeitsgestörten Menschen….

http://www.youtube.com/watch?v=hgbJGmd_9YM

HerrKules: … bleibt also weiter mysteriös. Ihr zitiert Versatzstücke aus verschiedenen Kunstsparten, dem Theater, der Klangkollage, den Soundscapes, der Performance und seid bekannt für eure musikalischen „Go Ins.“ Erobert ihr die Straße, den öffentlichen und privatisierten Raum als Kunstguerilla zurück für jedermann?

Stefan Gonska: Erst mal machen wir es aus Spaß, Freude am Leben, dann um eigene Grenzen zu testen, nicht um die Polizei zu provozieren wie man uns nachsagt. Wir spielen ohne Genehmigung, unplugged, wann, wo und wie wir gerade Lust haben. Auf Einkaufsstraßen, Parkplätzen, im Grünen, vor Kneipen. Von mir aus als konzeptloses Konzept.

Dale Lohse: Stromlos abgespeckt und abgerüstet geht auch, andere hören sich wie ein Großorchester an mit Polyphonmaschinen, stehen dort aber ganz alleine, wenn du näher kommst.

HerrKules: Wann höre ich das erste Liebeslied von den Muddys?

Julian Rengeling: Vielleicht nie. Wir mögen die Distanziertheit zum Publikum bei den persönlichen Lebensbereichen und Erfahrungen. Eine Distanz zu sich selbst scheint mir ehrlicher zu sein, als von der Bühne herab lästig zu werden mit Intimitäten. Nee, was ich meine ist, dass ich solche Liebestexte nicht schreiben kann oder will, da ich solche Gefühle viel besser ohne Text und Musik ausdrücken könnte. Außerdem habe ich keine „unerfüllte, schmerzhafte“ Liebe wie zigtausend andere Popmusiker.

Herrkules: Was treibt euch an, Geld, Ruhm, Erfolg bei Frauen?

Dale Lohse: Meine Sucht ist die Musik, Live-Auftritte geben einen Extra-Kick, auch wenn der Frust des Auftritts-Katers dazu gehört.

Lars Matura: Die Musik, na und die Selbsterfahrung beim Grenzen finden, beim Theater spielen mit und im Publikum.

Stefan Gonska: Die pure Liebe zur Musik.

Julian Rengeling: Innerer Zwang. Ich muss Musik machen, die Befreiung vom Lampenfieber nach dem Auftritt spüren.

HerrKules: Ich danke für das Gespräch.

Muddy Echoes: Bitte sehr.            {jcomments on}

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Von Heinz Niski

Handwerker, nach 47 Jahren lohnabhängiger Arbeit nun Rentner. Meine Helden: Buster Keaton, Harpo Marx, Leonard Zelig.

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