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Eins vorab:

Auch mir stellt das Leben mehr Fragen, als ich Antworten habe, für mich gibt es mehr Rätsel, Mysterien, Unwägbarkeiten und Ungewissheiten, als Sicherheit oder Gewissheit. Ich bin froh, nicht wie ein Politiker öffentlich als Besitzer, Inhaber oder Interpret der absoluten Wahrheit oder alternativlosen Entscheidung auftreten zu müssen. Ich weiß um die Zwänge von Menschen, die sich öffentlichem Erwartungsdruck stellen und manchmal Entscheidungen gegen ihre eigene Überzeugung vertreten (müssen?).

Deshalb sehe ich Volksvertreter nicht per se als Halunken, sondern oft als gefangene Erfüllungsgehilfen der diffusen, widersprüchlichen Sehnsüchte ihrer Auftragsgeber – dem Wähler.

Trotzdem:

die Direktkandidaten umwerben mich, wollen meine Stimme sammeln. Ich muss also prüfen, wem ich da Vertrauen schenke. Ich will es mir nicht leicht machen, sondern lasse bis zum Wahltag offen, welchen Kandidaten ich wählen werde. Also auf in den Wahlkampf!

Mein persönliches Kandidaten-Watching Tag 1:

1. Frank-Norbert Oehlert tritt an für die CDU

Dem Kandidaten Frank-Norbert-Oehlert bin ich nur einmal persönlich vor vielen Jahren im Tokyo-Tea-Room begegnet und wurde bezirzt von seinem Dauer-Monolog. Hätte ich nicht gewusst, dass er studierter Christ und Sozial-Unionist ist, wäre er auch als Vorläufer einer grün-roten Piraten-Partei durchgegangen.

Oder als Bundesvorsitzender der Die Partei.

Mir schien, dass er für einen CDU-Mann entweder sehr typische oder sehr schräg-kritische Ansichten über den Wähler und dessen Verhalten hatte. Sonst blieb er mir nur im Gedächtnis als verlautbarender Ankündigungs-Attaché von populistischen, sehr, sehr kleinteiligen Lebensumfeld-Verbesserungs-Vorschlägen via WAZ Presseerklärung.

Seine Antworten auf Abgeordnetenwatch bringen ihn mir auch nicht wirklich näher.

Die CDU Facebookseite ist wohltuend übersichtlich. Genau 2 Einträge im Jahr 2012.

Auf der CDU Internetpräsenz wird er konkreter. Er ist für eine erfolgreiche Schulpolitik.

Ich bin verblüfft.

Er ist für eine moderne Landwirtschaftspolitik.

Ich bin überrascht.

Er ist für familienfreundliche Kinderbetreuungsangebote.

Sensationell.

Er möchte sozialpolitische Impulse nach Deutschland schicken.

Großartig.

Ich ertrinke in fein gedrechselten Worthülsen und erfahre nichts. Weitere Besuche auf den Internetseiten scheinen zwecklos. Da muss noch was kommen, bevor ich ihm meine Stimme geben könnte. Heiner Geißler: HILF!

 

2. Jens Schäfer sammelt für die FDP

Ich kenne Jens Schäfer nicht. Ich erfahre auf Facebook aber, dass er für freie Fahrt für freie Bürger ist, Hunderte von Facebook Freunden hat, mehr als acht Bücher gelesen hat, unter anderem „Winni the Puuh“.

Er hat geholfen die Umfragewerte der FDP beim Lokalsender REL zur NRW Neuwahl 2012 auf fast 30 % zu treiben. Ich mag englischen Humor.

Auf der Internetpräsenz der FDP erfahre ich von ihm, dass ihm die Augen seiner Tochter beauftragt hätten, einen Schuldenberg abzubauen. Und er möchte finanzielle Nachhaltigkeit zum Maßstab der Politik machen.

Ich habe nicht die geringste Ahnung, was ER damit meint, bin aber beeindruckt. Auch über die vielen Freunde. Da ist also noch was drin.  

3. Alexander Schilling – der blonde Jack Sparrow Pirat

Ich schaue in die liquid-mail-liste. Es scheint zwei zu geben. Eine Öffentliche und eine Private.

Auf der öffentlichen wird organisatorisches gehandelt. Was andere Parteien routiniert meistern, ruckelt noch manchmal bei ihnen. Sehr charmant, dass sie Schwächen öffentlich erlebbar machen.

Nichts über inhaltliche Positionen oder Differenzen oder Auseinandersetzungen.

Ein alter Polithase – Roland Küpper – ist nun Pirat. Früher war er WASG, Linke, Grüne, bringt also genug politische Reife in die jeweils von ihm gerade kurzzeitig bevorzugte Heimat mit.

Mein Pirat fällt bis jetzt vor allem sympathisch auf, weil er sich engagiert und dabei frisch dem Mittelmaß des Lebens ne lange Nase dreht. Ich hatte einen kurzen Schriftwechsel mit ihm. Ich weiß sehr, sehr wenig über seine politischen Positionen und habe nur den Hauch einer Ahnung über seine Integrität, über seine Aufrichtigkeit, sein Standing.

Dann soll er mal versuchen meine Stimme zu kapern.  

3. Bianka Thiele im Ring für „Die Linke“

Die Linke auf Facebook. Dort passiert nicht viel. Man macht Wahlkampfstände, ärgert sich über geklaute Wahlplakate im Bereich der Flöz-Dickebank Siedlung.

Auf der Facebook Seite meiner Kandidatin Bianka Thiele erfahre ich neben menschelndem wie ihren Zahnarzttermin, auch etwas über Sonntagsspaziergänge und ihren Arbeitsalltag als angestellte Sekretärin der Fraktion „Die Linke“ des Landtages.

Mir scheint, dass sie sich um ihren Arbeitsplatz große Sorgen machen muss. Darüber lese ich aber nichts. Persönliche Krisen, existenzielle Sorgen finden bei Polit-Profis öffentlich nicht statt.

Ich klicke auf die Seite Die Linke Gelsenkirchen– dort erfahre ich endlich mehr. Viele wehende rote Fahnen und viel Programm. Die ringen um ne bessere Welt. Gießen das in Forderungen. In Punkte-Pläne, Zielvorgaben. Man ist friedensbewegt und antimilitaristsich.

Haben sie nun ihr taktisches Verhältnis zur Gewalt über Bord geworfen? Ich mochte die chaotische Gründungszeit der Linken in Gelsenkirchen, mit ihren schmutzigen, hässlichen – aber auch erdigen, authentischen Seiten. Integere Menschen wie z.B. Hartmut Hering, versuchen dort nun den Untergang aufzuhalten. Das wird kaum gelingen. Ich unterdrücke meinen Reflex, die Stalin Frage zu stellen.

Ich habe nichts zu verschenken, will umworben werden. Bianka Thiele bekommt meine Stimme nicht kampflos.

4. Patrick Jedamzik für die Grünen

Ein Jammer. Er ist so fleißig, so korrekt, so gewissenhaft, so ernsthaft.

Ich misstraue Politikern, denen ich keinen Skandal zutraue. Und ich bin neidisch auf seine Wohnzimmer-Ameisenzucht. Da er ein seit Jahren beständiger Blogger ist, habe etwas Einblick in seine Welt bekommen.

Was ich nicht weiß: ob er die Abschaffung der Glühbirnen als Fortschritt sieht und die Einführung des Flaschenpfandes als mehr als nur flankierende Maßnahme zur Hartz4 Regelung. Ich bin nicht abgeneigt, ihm meine Stimme zu schenken. Dagegen sträubt sich alles.

Ein handfester Skandal würde mich überzeugen. Oder die besseren Argumente seiner politischen Konkurrenten. Ich bin gespannt, ob ich überrascht werde.  

5. Markus Töns der SPD Genosse

Ich muss nichts suchen, sondern mich vor den Hochglanzinfos der geballten Macht des Apparates schützen. Ich erfahre alles, Kartenspielvorlieben, Kinder, Werdegang, Ausschussmitgliedschaften, sogar dass mein Kandidat einmal irgendwo ein Betriebspraktikum gemacht hat.

Er ist klassischer Kader, Funktionär, gelernter Politiker. Ist ja erst mal nichts anrüchiges. Er ist für alles Schöne, Gute, Wahre – in Grautönen.

Ich quäle mich durch Sitzungsprotokolle. So ist halt Politik hauptsächlich. Man haut sich stereotyp Spielregeln um die Ohren, quakt die erwarteten Einsprüche, blubbert lobend die Großtaten der eigenen Partei ins Protokoll. Würde ich für mich persönlich erst ab 20 000 Euro cash auf die Kralle als überlegenswerte Option sehen.

Lieber Gott ich danke dir, dass du mich nie in Versuchung geführt hast.

Außer Pressemitteilungen und anderen gefilterten Infos gibt es nichts persönliches zu finden. Der öffentliche Markus Töns scheint ein SPD Avatar zu sein. Kaum vorstellbar, dass er beim Urgestein-Poltergeist Hans Frey in der Lehre war. Aber: ich lass mich gerne überzeugen, glaube allerdings kaum, dass der jetzt schon feststehende Wahl-Gewinner sich mit herrkules-petitessen abgibt.

Nachtrag: Zitat aus dem

{youtube}7MNYrI7IuDw{/youtube}

Kraftvoll Werbebrühe, Kraft Werbefilm,  mein Kandidat bestellt Kraftbrühe und philosophiert:

„Durch die Türen unserer Stadt geht die Zukunft unserer Gesellschaft und das muss man einfach auch zur Kenntnis nehmen“

Fazit:

Ich bin müde. Weiß nicht mehr, ob das was die Kandidaten wollen, das ist was ich brauche. Ich weiß auch nicht mal mehr, was ich brauche. Je tiefer ich in die Ausdifferenzierungen eintauche, desto verschwommener wird alles. Wahlen sind anstrengend. Mal schauen was da in den nächsten Tagen passiert. {jcomments on}

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Von Heinz Niski

Handwerker, nach 47 Jahren lohnabhängiger Arbeit nun Rentner. Meine Helden: Buster Keaton, Harpo Marx, Leonard Zelig.

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