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Notizen eines Frontschweins - Karikatur: Uli Questees gab zeiten in meinem lehrerleben – vor zehn jahren

– da habe ich bei elternführungen am tag der offenen tür sagen können, wenn ich mich vorgestellt habe: „ich bin 50 jahre alt und repräsentiere den altersdurchschnitt unseres kollegiums“.

heute- zehn jahre später -ist das anders. es gibt nur noch eine handvoll dinos wie mich (allein am ende des vergangenen schuljahres haben erneut fünf pensionäre die schule verlassen). das kollegium hat sich im durchschnitt beträchtlich verjüngt, weil viele frisch examinierte in den letzten jahren eingestellt worden sind – und die große zahl an referendaren(zehn im moment) trägt noch einmal zur verjüngung bei.

das ist natürlich positiv, denn die frisch aus der ausbildung kommenden (oder noch in der ausbildung stehenden) kolleginnen und kollegen haben die neusten didaktischen konzepte und methodischen arrangements auf dem schirm (und es werden ständig neue säue durchs dorf getrieben).

aber es gibt auch einen nachteil.

diese jungen lehrerinnen und lehrer haben soviel energie und kommunikationsbedürfnis, dass in den pausen ein lärmpegel erreicht wird, der den durchschnittlichen krach in einer mittelstufenklasse weit übersteigt, wobei die vielen weiblichen stimmen eine schrille tonlage erzeugen, die die schmerzgrenze erreichen kann.

die menschlichen stimmen beim direkten gespräch werden zudem ergänzt durch klingelnde handys und folgende wichtige telefonate. und das in einem lehrerzimmer, das für etwa vierzig personen ausreicht, zu spitzenzeiten mit an die siebzig aber angefüllt ist, so dass man als alter mensch, der etwas länger braucht, bis er vom zweiten obergeschoss ins lehrerzimmer gelangt, ab und zu auch schon mal nur noch einen stehplatz erhält (was mir persönlich nichts ausmacht, denn auch in der schalke-arena habe ich einen stehplatz, für den ich sogar bezahle. hier aber stehe ich immerhin kostenlos).

etwas weiteres kommt hinzu – ein anderes verständnis vom begriff „arbeitsplatz schule“: nicht nur, dass die tische übersät sind mit laptops, tablets und diversen unterrichtsmaterialien (kisten mit stiften, heftzwecken, anschauungsmaterial, papprollen, klangschalen) und unterrichtsergebnissen in form von zumeist großformatigen pappschildern und papierrollen, auf denen schüler in krakeliger schrift und häufig fehlerhaftem deutsch ihre ergebnisse notiert haben, sondern auch mit getränkeflaschen (viel einweg-leergut dabei), süßigkeiten, gebäck, pädagogischen rucksäcken oder wahlweise didaktischen rollkoffern (man geht nicht zur arbeit, sondern man checkt ein!).

getoppt wird das ganze durch den duft von fertigsuppen oder anderen in einer microwelle aufgewärmten gerichten, die der stärkung dienen und neue energie geben.

kurz und gut: einigen älteren kolleginnen und kollegen, die verstärkt der ruhe bedürfen, ging das ziemlich auf die nerven (im wahrsten sinne des wortes), und so kam die idee auf, aus dem lehrerzimmer zu weichen und einen nur selten genutztes zimmer im ersten obergeschoss als rückzugsraum zu benutzen.

so weit – so gut.

ein älterer kollege der bio-fachschaft stellte eine kaffee-maschine zur verfügung, die ich allerdings aberDiogenes 2012 - Karikatur: Uli Queste auf anordnung des sicherheitsbeauftragten (gibt es wirklich!) wegen der möglichen brandgefahr alsbald wieder entfernen musste. um zu signaliseren, vom wem dieser raum benutzt werden sollte, hängte ich an die tür einen DIN-A-4 großen zettel auf mit den informationen: raum für ü-50 (über fünfzigjährige) und geeignetes pflegepersonal -ruhe -ordnung gepflegte gespräche.

dieser zettel hatte nur ein kurzes leben. als ich nach einer doppelstunde den ruheraum aufsuchen wollte, war er nicht nur abgenommen, sondern zerrissen worden und ich wurde von einer jungen kollegin (wahlweise typ rumpelstilzchen oder beißzange) mit den worten abgekanzelt: das sei eine diskriminierung der jungen kollegen, ich sei unverschämt und unkollegial. die rede wurde unterstützt durch weiteres kleinreißen des zettels und heftigstes stampfen mit den kleinen füßen auf dem boden.

da hatte ich mein fett weg und meine insel-der-seeligen-träume waren geplatzt.

was bleibt ist zweierlei an erkenntnis: kaffeemaschinen sind höchst gefährliche geräte, die ein ganzes schulgebäude auch schon mal in schutt und asche legen können. in den didaktischen rollkoffern und pädagogischen rucksäcken fehlt ein wesentlicher pappzettel, auf dem stehen müsste:

wichtig ist: selbstironie!

wie sagt Andreas Rebers richtig: provinz ist da, wo man die lehrer für intellektuelle hält.{jcomments on}

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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