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Schema einer psychoanalytischen Verdrängung

 

Gedanken zu einem Symposion des Gelsenkirchener Instituts für Stadtgeschichte zum Thema: Künstler und Kunst im Nationalsozialismus

 

„Künstler und Kunst im Nationalsozialismus“ – zu diesem Thema hatte das Gelsenkirchener Institut für Stadtgeschichte (ISG) zu einem wissenschaftlichen Symposium eingeladen, um die Verquickung der „Künstlersiedlung Halfmannshof“ mit dem Nazi-Regime zu klären.

Eigentlich hätte es den heutigen Hofmitgliedern gut angestanden, dieses „dunkle Kapitel“ ihres Domizils selbst zu „beleuchten“. Diese „Aufarbeitung der Vergangenheit“ wurde wohl deshalb vermieden, um das vermeintlich „idyllische Nest“ nicht zu beschmutzen und die Altvorderen nicht „in den braunen Dreck“ ziehen zu lassen.

Anlässe für eine Klärung von Seiten der Hofmitglieder gab es zu runden und halbrunden Hofgeburtstagen genug. Aber es reichte nur aus, sich zu feiern und feiern zu lassen. So blieb ein Stück lokaler Vergangenheit im Verborgenen und sorgte damit immer wieder mal für Spekulationen. Eine peinliche Nummer. Gemunkel im Dunkel.

Doch Stopp – 2008 traten die Halfmannshöfer die „Flucht nach vorn“ an und verkündeten öffentlich, dass sie die Hofgeschichte wissenschaftlich aufarbeiten lassen wollten. Aber darüber gerieten die Hofmitglieder einmal mehr in Streit – und es blieb bei der Absichtserklärung.

Danach hat sich Dr. Holger Gehrmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter am ISG, an die Arbeit gemacht. Nach gründlicher und umfassender Recherche über den Halfmannshof und die Funktionen seiner Mitglieder im sowie ihre Verstrickungen mit dem NS-Kunstsystem veröffentlichte er 2011, dem Jahr des 80jährigen Hofjubiläums, die Ergebnisse seiner Forschung als Buch unter dem Titel „Geht Kunst nach Brot?“.

Darin erbrachte er eindeutig den Nachweis der Zusammenarbeit von Hofmitgliedern mit dem NS-System. Der Hof hielt sich, traditionsgemäß wie immer, nach dem Erscheinen dieser Publikation „bedeckt“. Auch die Reaktion der lokalen Öffentlichkeit, von der regionalen ganz zu schweigen, tendierte gegen Null.

Für die Generation der nach dem 2. Weltkrieg geborenen Gelsenkirchener waren diese „ollen Kamellen“ bedeutungslos geworden. Vielleicht war aber auch diese einst so populäre Kultureinrichtung im Stadtsüden für die Gelsenkirchener Bevölkerung nicht mehr das, was sie in den 60er/70er Jahren unter Ferdinand Spindel zweifellos gewesen ist – eine attraktive Plattform für die damals aktuelle Kunstszene des Westens.

Stellt man sich vor diesem Hintergrund die Frage nach dem Erkenntnisnutzen des ISG-Symposions im Hinblick auf Kunst und Künstler in Gelsenkirchen während der NS-Zeit, dann dürften auch die letzten Zweifel ausgeräumt worden sein, dass Mitglieder des Halfmannshofes mit dem NS-System für Kunst- und Kultur eng verbunden gewesen und dafür mit öffentlichen Aufträgen belohnt worden sind.

Inzwischen liegt ein Menschenalter zwischen dem Geschehen in der NS-Zeit. Da die Künstler und Architekten als NS-Funktionäre Bestandteile des Systems waren, muss man davon ausgehen, dass sie auch ihre künstlerische Arbeit an den ideologischen Anforderungen des Systems ausgerichtet haben, was ja durch verschiedene Beispiele eindeutig belegt wird. Aber dem Zeitgeist angepasste Künstler und den Herrschenden dienende Kunst ist keine Erfindung der Nazis.

In dieser Hinsicht bleibt ein schales Gefühl, weil das Thema außer einem wissenschaftlich-historischen, kein allgemeines Interesse, weder in Staat und Kommune, noch beim Einzelnen, wie in der Gesellschaft gibt. Das Thema „Kunst und Künstler im Nationalsozialismus“ ist durch und, wenn überhaupt, nur noch von wissenschaftlichem Interesse, ansonsten ist es historisiert und eingeordnet. Das wurde in allen Vorträgen der Experten unmissverständlich zum Ausdruck gebracht.

Auf dem Kunstmarkt und für die Kunstgeschichte haben die Nazi-Künstler des Halfmannshofes keine besondere Rolle gespielt. Sie waren lediglich lokal und regional von einer gewissen Bedeutung und wurden demensprechend von den Nazis für ihre politisch-ideologischen Zwecke instrumentalisiert. Und so wehte, nur drei Monate nach der „Machtübergabe“ an Hitler, schon am 1. Mai 1933 auf dem Halfmannshof die Hakenkreuzfahne.

Sie war ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Künstler und Architekten in kürzester Zeit „ihr Fähnchen in den Wind gedreht“ hatten und es sich gern gefallen lassen „nationalsozialistisch vereinnahmt“ zu werden, um es vorsichtig zu formulieren. Dies ist eine Feststellung und kein Vorwurf an die „nachgeborenen“ Hof-Künstler.

Wohl aber bleibt zu kritisieren, dass sich die Hofkünstler bis heute verweigert haben, aktiv an der Aufarbeitung der Geschichte „ihres“ Hofes mitzuwirken. Es wäre schon hilfreich gewesen, wenn es auf dem Halfmannshof in den vergangenen 25 Jahren eine Ausstellung mit den Auftragsarbeiten aus der Nazizeit und freien Arbeiten von Josef Arens und Hubert Nietsch gegeben hätte. Dann wäre es möglich gewesen, sich von Qualität der Kunst dieser beiden Künstler ein Bild zu machen.

Auch diese Chance hat der Halfmannshof nicht genutzt.

Die Ruhrbarone über den Hof

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Von Sven Spieß

geboren 1948 in Papenburg, lebt seit 30 Jahren Bockum, arbeitet als Versorgungsingenieur (Dipl. Ing. FH) im Ruhrgebiet und schreibt in seiner Freizeit für verschiedene Magazine Kolumnen, Rezensionen und Glossen.

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