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Zweite Januarhälfte, vor 5 Jahren

Als das neu gewählte Parlament zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentrat, war die weiße Schneedecke der letzten Tage größtenteils zu kleineren und größeren schwarz-braun verdreckten Klumpen verklebt, die Straßen und Bürgersteige waren nass und Rinnsale von Schmelzwasser liefen in die Gullys.

Tauwetter hatte eingesetzt.

parlamentskäfigAls der Alterspräsident die Sitzung eröffnete, war in den Reihen der PDSG ein gutes Drittel der Plätze leer. Der Regierungschef wurde mit überwältigender Mehrheit gewählt. An der Abstimmung beteiligten sich die verbliebenen Abgeordneten der PDSG nicht.

In seiner Antrittsrede malte der alte und neue Regierungschef ein düsteres Szenario nationaler Bedrohung durch subversive Kräfte, angeführt von Drahtziehern der PDSG. Er beschuldigte Mitglieder der PDSG, an ihrer Spitze den Parteivorsitzende und den stellvertretende Fraktionsführer, einen Staatsstreich vorbereitet zu haben, zu dem das Zugunglück Auftakt und Signal gewesen sein sollte. Da die Beweise für diesen von einem Mitglied der PDSG begangenen Sabotageakt, der viele Menschen das Leben gekostet hätte, unzweifelhaft sein, hätten die Sicherheitsorgane zahlreiche Verschwörer, zu denen auch die fehlenden Mitglieder der Fraktion der PDSG gehörten, in Haft genommen.

Im Interesse des nationalen Wohlergehens sollten für eine Übergangszeit bis zur Stabilisierung der Lage die Rechte des Parlaments , die Pressefreiheit, die Meinungsfreiheit und einige andere Bürgerrechte eingeschränkt und durch ein Programm des Wiederaufbaus, der Stärke und Sicherheit und der nationalen Konzentration ersetzt werden. Diese Phase sei zu nutzen, so fuhr der Regierungschef fort, um das Land zu neuer Blüte zu führen und den Weg des korrekten Produzierens, korrekten Konsumierens und korrekten Lebens zu gehen. Dieses „PROGRAMM DER GROSSEN ERNEUERUNG“ wolle er heute zur Abstimmung stellen.

Unter tosendem Applaus beendete er seine Rede mit den Worten: „Es beginnt jetzt das Neue, das Herrliche, das Korrekte, so wahr mir Gott helfe! Amen!“

In einer bewegenden und mutigen Rede antwortete der Fraktionsführer der PDSG. Er widerlegte alle Vorwürfe gegenüber den Mitgliedern seiner Fraktion und Partei, sprach davon, dass das Unglück zum Anlass für einen kalten Staatstreich ausgenutzt würde, beschwor die Freiheitsrechte, beklagte die beabsichtigte Entmündigung der Bürger und rief den Parlamentariern zu:

„Kommen Sie der geplanten Verstümmelung der Freiheitsrechte nicht durch eine Selbstkastration zuvor!“

Während seiner Rede wurde er immer wieder von Schmährufen, Beschimpfungen und Drohungen unterbrochen; am Ende standen die verbliebenen Abgeordneten der PDSG auf und klatschten Beifall.

Das PROGRAMM DER GROSSEN ERNEUERUNG, in die Geschichte eingegangen als die „Drei KAs“, wurde angenommen. Lediglich die kleine Gruppe der PDSG stimmte dagegen.

Eine neue Eiszeit hatte begonnen.{jcomments on}

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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