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Vielleicht ist das seine größte Leistung: dass wir ihn ständig bei uns tragen, nämlich als Namensgeber für unsere Achillesferse.

Denn ansonsten ist es mit solchen Superhelden ja so eine Sache.

{jcomments on} Wie man sie bewertet, hängt zu großen Teilen vom Blickwinkel ab. Folgt man dem Mythos vom Kampf um Troja, so ist Achilles der Held der Helden, der Super-Kämpfer. Bürstet man den Mythos etwas gegen den Strich, so wie es etwa Christa Wolf getan hat („Kassandra“), so wird Achilles zu „Achill dem Vieh“, einem Monstrum auf dem Schlachtfeld und auch außerhalb, ein Schlächter und Vergewaltiger und Schänder von Männern und Frauen, dem nichts heilig ist und der deshalb sogar im geschützten Bezirk des Tempels tötet und schändet. Man könnte also, in Anlehnung an eine Äußerung Brechts über „große Verbrecher“ sagen, große Schlächter sind und bleiben in erster Linie Schlächter.

Die Sache mit der Achillesferse ist schnell erklärt: Seine Mutter Thetis, eine Meeresnymphe, hielt ihn in den Fluss Styx, um ihn unverwundbar zu machen. Lediglich an der Ferse, an der sie ihn festhielt, fehlte ihm der Schutzpanzer (hier ähnelt der Mythos den Sagen um den Drachentöter Siegfried, der im Drachenblut badete und auch nur an einer Stelle im Bereich der Schulter verwundbar war).
Es erging die Weissagung, ohne Achilles sei Troja nicht zu erobern. Er wurde wegen seiner Kampfkraft ebenso gebraucht wie Odysseus wegen seines Einfallsreichtums gebraucht wurde. Und Achilles wurde vor die Wahl gestellt, was seine Zukunft anging: Entweder konnte er ein friedliches  und glückliches Leben zu Hause führen – um den Preis der Bedeutungslosigkeit und des vergessen Werdens – oder er konnte ewigen Ruhm erlangen und sein Name und seine Taten würden nie vergessen werden, wenn er in den Krieg um Troja zöge. Der Preis für den Ruhm: sein Tod.

Wie Achilles sich entschied, muss nicht weiter erläutert werden.

Über Jahre zieht sich der Krieg um Troja hin; die Griechen, die Troja auf Grund der starken Befestigungsmauern und der Kampfkraft der Verteidiger nicht erobern können, verwüsten alle Küstenstädte der Region und die mit Troja verbündeten Städte und Inseln. Es gilt schließlich, sich  einen lästigen Konkurrenten im Mittelmeerraum vom Hals zu schaffen. Und für die Soldaten, die fern der Heimat und getrennt von ihren Frauen  sind, fallen die Söhne und Töchter der eroberten Gebiete als Sklaven an, so dass der sexuellen Triebabfuhr auch Genüge getan werden kann.
 Und immer vorne dabei: Achilles.  Der ist nicht nur ein wüster Eroberer von Städten, sondern auch von Menschen. Wer oder was ihm nicht zu willen ist, wird zerstört. So bringt er – nach einer Variante des Mythos –  Troilos, einen der Söhne des Priamos, im Tempel des Apollon um, als Troilos sich ihm nicht hingeben will.

Als Agamemnon die Achilles versprochene Briseis, eine Tochter des Priesters Kalchas,  für sich beansprucht, zieht sich der Held im zehnten Jahr des Krieges vom Kampfplatz zurück. Er greift erst wieder  zu den Waffen, als sein Vetter und Freund Patrokolos in der Schlacht getötet wird.

Achilles  tötete Hektor, den Heerführer der Trojaner und ältesten Sohn von König Priamos, und schleifte Hektors toten Leib am Gehenk seines Streitwagens um Troja. Hektors geschändeten Leichnam gab er zunächst nicht heraus, so dass Hektor nicht verbrannt werden konnte. Erst als Priamos Hektors Leiche in Gold aufwog, gab Achilles den Leichnam frei.

Trotz oder gerade wegen solcher Taten geriet sein Name nicht in Vergessenheit! Und natürlich wegen seiner „Achillesferse“. Denn dort platzierte Paris – der ein treffsicherer Bogenschütze war – einen vergifteten Feil, so dass  Achilles elend zugrunde ging.
Verlässt man den Bezirk des Kampfes um Troja und blendet die Details der Schlachten, der Siege und der Niederlagen aus, so bleibt doch als ein wesentliches Element die Grundsatzentscheidung, vor die sich Achilles gestellt sieht: führe ich ein friedliches und glückliches Leben, gerate aber alsbald in Vergessenheit, oder nehme ich in den Tod auf dem Schlachtfeld in Kauf und erlange ewigen Ruhm?

Karnevalswagen zu Klischee und Wirklichkeit von Selbstmordattentätern im Düsseldorfer Rosenmontagszug 2007. Foto und Großplastik von Jacques Tilly.Eine Fragestellung, vor die sich in diesen Tagen offensichtlich viele junge Männer (und auch einige Frauen) muslimischen Glaubens gestellt sehen oder meinen gestellt zu sein: ewiger Ruhm und ein Platz im Paradies, so jedenfalls die Propaganda, gegen ein ziviles Leben, gegen die Mühsal des Alltags, gegen die Namen- und Bedeutungslosigkeit einer Dutzendexistenz; der Kampf auf dem Schlachtfeld zu Ehren Allahs gegen das Stehen in der Schlange an der Aldi-Kasse, die religiöse Legitimierung von Gewalt gegen die staatliche Sanktionierung von Gewalt , Grenzerfahrung gegen den täglichen Trott. Der Dschihad als Tor zum Himmelreich!

So verkündet es die Propaganda in geschickt und teilweise technisch brillant aufgemachten Videos oder vorgetragen von den rhetorisch auf schlichte Gemüter einwirkenden  Trommlern für das Töten im Namen eines Gottes.
Die Wirklichkeit sieht wohl anders aus. Überlebt man das Schlachtfeld, kehren etliche traumatisiert zurück, bindungsloser als zuvor, mancher wohl auch fanatisierter als zuvor, vielleicht auch als tickende Zeitbombe.

Aber keiner wird unsterblich sein wie Achilles, der sein Leben auf dem Schlachtfeld verlor, dessen Name aber, wie es die Weissagung versprach, nicht in Vergessenheit geriet, weil Homer ihn in seine unsterblichen Verse fasste.

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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