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Irgendeinen Ritter kennt doch jeder von uns. Sei es nun Ivanhoe oder Lancelot, Oblong-Fitz-Oblong oder Goethes Götz, dem wir wohl die bekannteste und zugleich am häufigsten falsch zitierte deutsche Redewendung zu verdanken haben

, denn bei Goethe sagt Götz nicht, der Bote solle dem Kaiser ausrichten, der Kaiser könne ihn (Götz) am Arsch lecken, sondern er sagt im Arsch lecken. Die Präposition ist hier wichtig, denn ob „am „ oder“ im“ macht einen Unterschied – für den Lecker und den Geleckten. Doch schweifen wir nicht ab!

Der Band „Ritter Rost“ ist das erste Werk der Gemeinschaftsarbeit von Texter Jörg Hilbert und Komponist Felix Janosa, deren Geschichten um den blechernen Ritter Rost stets als Musical daherkommen. Die Reihe ist mittlerweile auf über zehn Bände angewachsen.

Wir beschränken uns im Folgenden unter Vernachlässigung der Lieder auf den Erzähltext, der uns in die Rost-Welt einführt. Eine Welt, die mit bekannten Rittergeschichten bzw. Ritterfiguren nicht viel gemeinsam hat.

Rost lebt gemeinsam mit dem Burgfräulein Bö und dem Drachen Koks auf der eisernen Burg. Der erste Band schildert, wie es zu dieser ménage à trois gekommen ist und führt in die Welt der Geschichten und die Charakterzüge der drei Hauptfiguren ein. Über Ritter Rost (für dessen Aussehen angeblich die Karosserieform des Peugeot 404 Vorbild gewesen sein soll, wogegen die roten Haare des Burgfräuleins auf die Haare der Ehefrau von Jörg Hilbert verweisen sollen) heißt es zu Beginn, er sei „ganz aus Blech gemacht“. Er ernährt sich „eisenhaltig“, also von Reißnägeln, Büroklammern und Hufeisen, zudem trinkt er gerne ein Tässchen Maschinenöl. Die Welt ist eine Welt aus Blech und Eisen, Figuren aus Maschinenteilen bevölkern Burg und Landschaft.

Eigentlich kann man die Geschichten auf zwei Komponenten reduzieren: ein Spiel mit gesellschaftlichen Rollen und die Aufhebung der Grenzen zwischen Fiktion und Realität. Das Rollenspiel findet seinen Ausdruck darin, dass Ritter Rost sich für den Größten und Klügsten hält, in Wahrheit aber dumm und feige ist. Das Burgfräulein dagegen ist klug, mutig, geschickt und tatkräftig. Der Drache macht viel Unsinn, ist aber klein und niedlich und gehorcht letztlich immer dem Burgfräulein.

Die Dialoge der Figuren würden bei einem Wettbewerb für schwachsinnige Wortwechsel auf jeden Fall einen der vorderen Plätze belegen, die Figuren sind (Bö ausgenommen) von bestechender Unbedarftheit (um das Wort „Blödheit“ zu vermeiden).

Die gezeigte Welt ist nicht die Welt eines (auch nur angedeuteten) Mittelalters, sondern eine aus allen möglichen (und unmöglichen) Elementen zusammengefrickelte Fantasiewelt, ausgestattet mit Versatzstücken aus diversen Genres, mit denen die Autoren spielen, und bevölkert von den absonderlichsten Figuren. Im ersten Band sind es etwa Gestalten, die in einem Zirkus auftreten, dessen Vorstellung Rost besucht: ein melancholischer Vampir, ein schlafmütziger Werwolf, ein Bauchredner (ein redender Bauch)und eben der Drache Koks. Diese vier Figuren treten in einen Wettstreit, wer von ihnen „der Fabelhafteste“ sei. Alle zeigen ihre Künste, als letzter Kandidat der Drache, der bei seiner Vorführung allerdings mit seinen Feuerstößen das Zelt in Brand setzt und anschließend auch noch einen Wald in Brand setzt. Als sich die Besucher um Rost scharen, weil sie erwarten, dass dieser den Drachen einfängt, flüchtet Rost auf die Burg zurück, heult, verkriecht sich in seinem Bett und verlangt jammernd nach seinem Teddy. Nun ist es an Bö, der Rost zu Beginn nicht erlaubt hatte, mit in den Zirkus zu gehen („…du bist viel zu klein und dumm und schwach“, hatte er zu Bö gesagt), den Drachen zu jagen, den sie schließlich im Kampf besiegt. Sie nimmt den Drachen mit auf die Burg und erzieht ihn in einem Jahr zum Haustier, der sich nun „Knappe Feuerzeug“ nennen darf. Anlässlich der Ernennung des Drachen zum Knappen wird auf der Burg ein Fest gegeben. Bö und Koks tanzen die ganze Nacht, Rost muss sich mit dem hauseigenen Roboter begnügen. Ach ja: die Band des Abends besteht aus dem Werwolf, dem Bauchredner und dem Vampir, und wie es in einer blechernen Welt nicht anders sein kann, muss ein entsprechender Witz zum Abschluss her. Auf der Pauke, die der Werwolf schlägt, steht der Bandname: heavy metal.

Nun wird jedes nicht gerade tiefbegabte Kind, das aufmerksam zugehört hat, fragen: Aber Papa, dieser Ritter ist aber so ganz anders als die Ritter in anderen Geschichten – die sind doch immer mutig und ehrenhaft. Der Rost ist doch eher ein schlapper Geselle.

Wenn man nicht zu einer Notlüge greifen will, dann muss man wohl sagen: Na ja, das ist doch prima, wenn du erkennst, dass der Rost ein Vollpfosten ist.

Und das Kind wird weiter fragen: Dann ist die Heldin doch eigentlich Bö, nicht wahr. Die ist doch mutig und hilft und hat den Durchblick. Eigentlich müssten die Geschichte dann auch „Das Burgfräulein Bö“ heißen. Das ist doch richtig, oder?

Und wir werden gezwungen sein zu antworten: Ja, die Geschichte zeigt eben, dass Mädchen und Frauen auch Dinge können, die Männer machen können.

Und dann wird das Kind sicher – nach einer kleinen, aber gewichtigen Pause des scheinbaren Nachdenkens – mit einem maliziösen Lächeln sagen: Ja, zum Beispiel aus einem Drachen ein friedliches Haustier machen, um das das Kind sich kümmert und das dem Kind gehorcht.

Und wir werden uns räuspern und einen leichten Schluckreiz bekommen, weil wir ahnen, woraus das hinauslaufen soll. Aber noch bevor wir einen Gedanken formuliert und ihn gar ausgesprochen haben, wird das Kind sagen:

Das ist ja gut. Dann können wir uns ja doch ein Hündchen anschaffen. Und die Mama erzieht das dann zu einem Haustier und ich kümmere mich später darum – ab und zu!

Und der Vater wird stumm nicken.

Dann wird alles gut, wird das Kind sagen und sich dann endlich umdrehen und einschlafen.

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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