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Meine Geschichte fängt an hiermit: 

…… abePersonalausweisr eigentlich fange ich damit an, dass ich meine Frau vermisse. Da gibt es keine Mittel gegen, da können die Ärzte noch so viel erzählen. Leukämie ist der schlimmste Krebs und 2002 war sie 25 Jahre tot. Ich hatte immer Hoffnung, aber ich habe zu meinem Sohn gesagt: „Das Leben deiner Mama ist nun wie eine Seifenblase, Poesie, dünn, zerbrechlich und von einem Moment zum nächsten weg.“

 

Ja, der Sohn, der ist jetzt 32 Jahre alt, hat in Lodcze seinen Magister gemacht und ist nun im Bereich Werbetechnik im polnischen Fernsehen, ich vermisse auch meine Tochter, die fährt jeden Tag 130 Km zur Arbeit und 130 Km wieder zurück. 26 ist sie und arbeitet im Ex- und Import in Warschau. Die Freundin meines Sohnes ist Künstlerin, Malerin.

Jozefs Mutter

      Bilder habe ich nicht aber hier ist meine Mama.

 

 

 

 

Meldeschein

 

Vor 20 Jahren habe ich die Kinder zuletzt gesehen. Mein Bruder starb an Mandelkrebs, mein Schwager an Lungenkrebs, meine Schwester starb auch an Krebs. Probleme hat er schon gemacht, der Sohn. Fühlte sich wohl als etwas besseres, weil Mama und Papa Lehrer waren.

 

 

 

Meldebestätigung Arbeitshandschuhe habe ich nicht bekommen auf dem Schrottplatz. 10 Stunden täglich arbeite ich da, ohne Atemschutz mit dem Schweißbrenner. Sicherheitsschuhe auch nicht.

Früher, da waren die 5 Euro Stundenlohn noch echte 10 Mark.

Heute gibt es kaum noch deutsche Stammkunden, viele Araber, Türken, Libanesen. Ich habe keine Probleme mit denen, die haben aber andere schon öfter zusammengetreten.

Die Fluktuation ist hoch auf dem Platz. Ich bin der einzige, der seit 20 Jahren dabei ist.

 

Jozef im GesprächWas von dem Geld über bleibt, schicke ich den Kindern.

Die wollen, dass ich zurück komme. Nein, warum das nicht geht erzähle ich jetzt nicht. Vielleicht schreibe ich meine Geschichte einmal ganz auf.

Ich koche immer Samstags. Suppe. Die fülle ich in Gläser, reicht für die Woche. Ich brauche nicht viel. In meinem Wohnwagen habe ich eine polnische Bibel und Wilhelm Busch auf deutsch. Ich mag Busch.

In die Messe gehe ich nicht, weil es für mich schwierig ist, dort hinzukommen. Mit anderen polnischen Leuten treffe ich mich selten, weil ich so lange arbeiten muss. Vor kurzem bekam ich einen Empfänger geschenkt. Nun gucke ich auch Fernsehen. Ich mag neben kulturellem und Politik vor allem Sport.

 

Zuerst war ich Techniker, später Aufenthaltsgenehmigunghabe ich an der Sport Akademie studiert, war dann Sportlehrer an der Grundschule, am Lyzeum, an der Berufsschule.

Bei der Europameisterschaft war ich im Finale, Leichtathletik, 3000 Meter mit Hindernis, zur Olympiade 1972 wurde ich nicht zugelassen.

Ich hatte mich mit dem Trainer überworfen. Ich fand sein Training zu lasch, ich wollte mehr gefordert werden. Leberprobleme gabs es plötzlich. 2:21 lief ich beim Marathon in Ungarn. Das war vor 32 Jahren eine sehr gute Zeit.

 

Jozef im Gespräch

Na ja, auf dem Schrottplatz, da habe ich schon mal gesagt: „Geld vergiftet die Seele“, aber verstanden hat es keiner.

Die wissen auch nicht, dass es Kultur, Theater, Kunst gibt. Die kennen nur Stock-Car-Rennen.

Was ich möchte? Ich möchte einen Pass.

Ja, vielleicht schreibe ich doch einmal meine Geschichte auf.

 

 

 

 

Arbeiterhände22 Jahre Arbeit auf dem Schrottplatz.Sehnenverkürzung

Die Sehnenverkürzung müsste wohl operiert werden, tut weh, so wie die Gicht.

Ich habe kein Geld für einen Arzt.

Ja, einen Pass habe ich nun.

 

Seit einem Jahr bin ich arbeitslos. Ich lebe von der Tafel. Im Gespräch

Das Arbeitsamt sagt: keine Aufenthaltserlaubnis, keine Arbeit.

Mit Aufenthaltserlaubnis auch keine Arbeit. Ich bin 62 Jahre und es gibt viele deutsche junge Arbeitslose. Nein, zum Arzt kann ich nicht. Ich habe ja immer schwarz arbeiten müssen. Da wurde keine Krankenversicherung bezahlt und auch keine Rente. Durch den Arbeitsunfall ist die Schulter kaputt. Den rechten Arm kann ich schlecht bewegen. Entlassen. Wenn ich Geld habe, trinke ich Samstags eine Flasche Vodka. Man braucht mich nicht.

 

Jozef im GesprächIch bin gekommen um mich zu verabschieden. Die Kinder habe ich gesehen. Letztes Jahr. Der Mann bei der Ausländerbehörde sagt: geht nicht. Ich bekomme keine befristete Aufenthaltskarte. Das Sozialamt sagt: keine Karte, keine Unterstützung. 22 Jahre Schwarzarbeit glauben wir nicht. Das Zollamt sagt: der muss alles nachzahlen. Aber seit einem Jahr läuft die Anzeige. Ich habe jetzt diese Muttermale überall. Ich war mit Pass und Foto in der Husemannstraße. Und mit der Anmeldung. Der Zollmann hat gedolmetscht. Nein, den Antrag nehmen die nicht an. Alle Unterlagen hatte ich mit. Ein Formular durfte ich nicht ausfüllen. Es wäre nicht mein Mietvertrag.

 

GeschwürCollageEssen muss ich nicht viel.

Die Kinder wollen mich wohl nicht. Ich will niemanden stören.

Prostata das tut auch weh. Vielleicht fahre ich zu Sterben nach Polen. Im Juni ist es schön. Die Augen sind ganz schlecht geworden. Ich habe die Telefonnummer meines Sohnes. Vielleicht rufe ich ihn an. Dann sage ich, dass alles gut ist. Ich habe Geld.

Seit das Geschwür am Ohr wächst höre ich schlecht. Das wächst seit 3 Wochen. Das andere ist schon 10 X so groß. Die Wohnung haben sie wohl vermietet oder verkauft und ich habe ja keinen Platz da. Ja ich gehe am Montag zum Arztmobil wenn die mich ohne Geld behandeln. Ich wollte mich verabschieden.

Meine Geschichte, ja ich weiß nicht ob ich sie noch erzählen werde.

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Von Heinz Niski

Handwerker, nach 47 Jahren lohnabhängiger Arbeit nun Rentner. Meine Helden: Buster Keaton, Harpo Marx, Leonard Zelig.

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