Seit über einem Jahrzehnt verändert sich der traditionelle Kulturbegriff. „Die Industriekultur wandelt sich zur postindustriellen Kultur, die eventkulturelle Züge trägt. Diese neue Eventkultur bestimmt wesentlich das Standortmarketing, weil der Erlebniswert einer Stadt oder Region über die Attraktivität für Arbeitskräfte entscheidet“ (Opaschowski).
In die kulturell-künstlerischen inszenierten Ereignisse haben Pop und Show Einzug gehalten. Kunst und kulturelles Spektakel und deren Kommerzialisierung sind im Event zusammen gewachsen. Während in der Kunst des 20. Jahrhunderts noch weitgehend der Anspruch vorherrschte, ein zeitgenössisches Menschenbild mit existentiellen Fragestellungen zu problematisieren, zeichnet sich momentan eine banale Verflachung offiziell organisierter kultureller Erlebnisse ab. Jetzt gilt es vielerorts die Oberfläche von Schein- und Erlebniswelten so zu managen, dass das Publikum bloß noch Zerstreuung und Unterhaltung ohne Tiefe findet. Die Trivialität der kulturellen Angebote machen die Events potentiell zu einem Verdummungsinstrument. Einige Künstler sind schon frühzeitig in diese Entwicklung eingestiegen, ja, haben sie selbst mitgetragen. Kurzlebige Verhüllungsaktionen z. B. oder die zahlreiche Attraktionen der Kulturhauptstadt 2010, hatten und haben einen deutlichen Eventcharakter und leben vom Effektspektakel ohne besondere Nachhaltigkeit. Kunst und Kultur als Eintagsfliege zwischen Show- und Sensationseffekt, flüchtigem Kitzel und kurzlebigem Spektakel ohne Folgen werden zu einem unverbindlichem medienwirksames Ereignis. Zur Folge hat diese Entwicklung, dass künstlerisch reflektierte Tiefe des Werks und jedes auf Anspruch beharrende Kulturerzeugnis ins Abseits geraten und nur noch eine Nischenexistenz führen. Und – um noch eine Anmerkung zur anderen Kunst unter der Herrschaft der Eventkultur anzufügen – seit einer Generation gibt es vielfältige Ansätze dem Mainstream der angepassten und kommerzialisierten Kunst entgegen zu treten. Diese „Aussenseiterkunst“ ist auf dem aktuellen Markt nur selten anzutreffen. Ihre Kennzeichen aber sind eine demonstrative Hinwendung zur Emotion, Expressivität, Sinnlichkeit, zu Poesie und Transzendenz. Wegbereiter waren in Italien die „Transavanguardia“ (z. B. Mimmo Palladino), in Deutschland die Malerei der erzählerischen Expressivität der 80er Jahre, den „Jungen Wilden“, und nicht zu vergessen die Architektur der einst provozierenden postmodernen Ära (Charles Jenckx, Léon Krier, u. v. a. m.).
Literatur:
Horst W. Opaschowski: Jugend im Zeitalter der Eventkultur, Politik und Zeitgeschichte (B12/ 2000)
Harald Pühl, Wolfgang Schmidbauer (Hrsg.): Eventkultur, Berlin 2007
Der Hohe Priester der Tiefe als Polier der Oberfläche