Zurück aus den olympischen Höhen der Theorie zu den Ereignissen in Gelsenkirchen! Etliche Tage nach meinem denkwürdigen Besuch im SPD-Büro flatterte mir ein Schreiben ins Haus, das mich herzlich als neues Mitglied der SPD begrüßte
– diese Freude sollte allerdings bald bei führenden Leuten der Gelsenkirchener SPD extrem abkühlen. Zudem wurde mir mitgeteilt, dass der für mich zuständige Ortsverein der Ortsverein Altstadt war. (Ich wohnte noch bei meiner Mutter in der Luitpoldstr. 36)
Danach Sendepause! Nichts rührte sich im Ortsverein Altstadt, der von Hans Gertzen geführt wurde, seines Zeichens Bundestagsabgeordneter, Stadtverordneter und noch bis weit in die 70er Jahre hinein ein mächtiger Mann in der lokalen Partei, der immer aus dem Hintergrund wie eine Spinne seine Fäden zog. Doch davon später mehr.
Ich machte also Bekanntschaft mit einem Phänomen, das nach mir noch viele Neumitglieder erleben sollten. Gemeint ist das Phänomen, dass die SPD (wahrscheinlich ist das in anderen Parteien genauso) zwar händeringend um Neumitglieder wirbt, wenn sie denn aber da sind, sie den Eindruck vermittelt bekommen, eigentlich zu stören.
Damals war das jedenfalls so. Heute, so scheint mir, ist das Bewusstsein über die Notwendigkeit einer intensiven Neumitgliederbetreuung geschärft, wohl auch deshalb, weil Neumitglieder leider immer seltener werden. Damals jedoch war die SPD auch und gerade in Gelsenkirchen immer noch so etwas wie eine geschlossene Gesellschaft, deren Funktionäre eher Angst statt Freude bei neuen Gesichtern empfanden, vor allem auch dann, wenn sie nicht über den üblichen Weg via Betriebe bzw. Gewerkschaften, Stadtverwaltung und/oder alteingesessener sozialdemokratischer Familie gekommen waren. Viele Betroffene verführte und verführt das dazu, die Flinte ins Korn zu werfen, ohne überhaupt einen einzigen Schuss abgegeben zu haben. Selbstverständlich klappte diese Art des indirekten Vergraulens bei mir nicht!
Ich war heiß darauf, Politik zu machen und in einer Juso-Arbeitsgemeinschaft mitzuarbeiten. Folglich wurde ich lästig. Irgendwie bekam ich heraus, dass für die Altstadt eine gewisse Ulrike Waltenberg für die (nicht vorhandene) Juso-Arbeit zuständig war. Ich rief sie an, und wir vereinbarten einen Termin. Das Ergebnis des Treffens war enttäuschend, wurde mir doch deutlich beigebracht, dass man an einer politischen Juso-Arbeit nicht interessiert sei.
Anfangs konnte ich mir die ablehnende Haltung nicht erklären, denn Ulrike Waltenberg war mir zwar nicht sonderlich sympathisch gewesen und meinem Bild einer kämpferischen Sozialistin entsprach sie auch nicht unbedingt, aber dennoch – sie war eine junge Frau, Genossin und Juso und hätte doch froh darüber sein müssen, dass sich jemand aus freien Stücken engagieren wollte.
Sie merken schon: Ich, der Blauäugige, stand wirklich erst am Anfang meiner politischen Laufbahn. Erst später wurden mir einige Zusammenhänge klar, die allesamt auf das Bemühen hinausliefen, mögliche Konkurrenzen schon im Keim zu ersticken. Was also tun?