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Tag 4

Mittwoch 28.09.2011 Galerie auf Zeit von Oven Straße 10, Hinterhof 19:25

Es gibt sie noch, die in Frage Steller, die, die Kompass und Orientierungsmaßstäbe der Alten nicht eins zu eins übernehmen und eigene Wege probieren. Der 23 jährige Tommy Klapper aus Herne ist so einer und sucht singend auf der Bühne.

15 Leute drinnen suchen mit, 10 scheinen draußen etwas verloren zu haben. Sein flottes Liebeskummerlied „Meine Süße“ macht mich grummelig.

Ich will keine fröhlichen Durchhaltelieder mit einer „das Leben geht weiter“ und „hier ist mein Stinkefinger“ Botschaft. Damit darf mir mein Künstler nicht kommen. Ich verlange Heulen und Zähne klappern und dass der Künstler sich stellvertretend für mich in einem Meer von Traurigkeit auflöst.

Ich will schonungsloses Selbstzeugnis – Lebenslügen habe ich selber genug. Ich werde vollends ungerecht und sehne mich nach Ringswandels „Schwarzen Mann.“ Zurück auf Start. Alles wird gut. Nicola ist einfach in sein Leben gefetzt / Und hat sich mit allen seinen Zielen vernetzt / lebenslang sind sie zusammengeschweißt – thumbs up – wenn das nicht romantische Beziehungsarbeit eines Eisenflechters ist, ist es vielleicht eine Sprachparodie?

Dem Publikum gefiel es.


Tag 5

Freitag 30. 09. 2011 Galerie auf Zeit, von Oven Straße, Hinterhof 10 19:30

Das Thekengequatsche der anfangs 15 Besucher erstirbt, dem Kühlschrankgebläse wird der Strom entzogen und der Hammer Mario Siegesmund und Wolfgang Becker vom Düsseldorfer Trio Schwarzbrenner, lesen, singen, spielen, rezitieren „100 Jahre Liebe„, ein Programm mit Texten und Gedichten Georg Heyms, denen sie eigenes gegenüber stellen.

Becker, Typ elder statesman, gemischt mit einem Spritzer Country Cowboy, kommt erdig, souverän, zurückhaltend als Mann, der die leisen Töne bedienen kann und der Dank seiner Bühnenaltersweisheit die große Klaviatur der kleinen Gesten exzellent beherrscht. Man wird hellhörig, wenn er sich zurück nimmt.

Mario Siegesmund doubelt den netten Edeka-Mann von nebenan, mit Zuständigkeit für Mittelschichtneurotiker. Er bürdet sich auf, den Kontrapunkt zu den Heymschen Bilderwelten und Selbstbeobachtungen zu setzen. Das gelingt immer dann besonders, wenn er den Edeka Kittel auszieht und zu seinem fulminanten Bottleneck Slide den Blues bekommt. Blues verzeiht auch Beziehungsarbeit-Texte, Selbstbeschwörungen vom Bleiben wie man ist und wie man gegen den Wind steht. Zarter Gesang der beiden über Echtheit, Aufrichtigkeit, Wahrheit, Klarheit kommt als Schlange Kaa gekrochen und mesmerisiert mir den Biermannschen Commandante Che Guevara herauf. Die Melodie geblieben, der Mythos im Orkus, meine Aufmerksamkeit macht Melancholie Platz.

Dem Publikum gefiel es.

20:20

„Grob“ nennt sich das musikalische Kollektiv um Frontmann, Geschäftsführer, Freelancer, Kulturwissenschaftler Julian Rybarski, kommt aber geschmeidig funky-blubbernd daher, messerscharf durchstochen durch Hendrik Freunds Trompete.

Fein, dass es immer noch Holz- und Blechbläser gibt, die den Overkill der Guitarremania in Nischen überlebt haben. 50 Besucher schwuppen und wuppen hie und da nach den sehr dezidierten Anweisungen und Handlungsaufforderungen des Leaders angehauchte Ekstäschen, lauschen Songs wie „I need a Dollar“ oder „Money, thats what I want“ und nesteln an Löschdecken, um trotz allem für den unwahrscheinlichen Fall eines Flächenbrandes durch Funkenflug gewappnet zu sein.

Dem Publikum gefiel es.


22:00

Die Tin-Whistle Begleitung aus „the good, the bad & the ugly“ fehlt, als die 3 Slammer Sascha Matesic, Ilja Budnizkij und Johannes Floehr stocknüchtern die Bühne entern und den 40 Zuschauern schnapstrinkende Bösewichter mimen. Weder AK-47 T-Shirt, noch die vom Blatt abgelesene Aufzählung geplanter bösester Streiche können mich glauben machen, dass sie Max und Moritz das Wasser reichen könnten, für Schwiegermütter gefährlicher als Florian Silbereisen oder zusammen auch nur halb so böse wie Klaus Kinski wären. Das Publikum giggelt, prustet, lacht, während von Blatt und Bühne Kotze-Scheiße-Pisse Wortkaskaden sprühen, ein klares „Ich will endlich ficken“ Bekenntnis durch den Raum mäandert und verschiedene persönlichkeitsverändernde Selbstversuche beschrieben werden. Stark werden sie, wenn sie frei vortragen. Gute Beobachtungsgabe, feine Assoziationsketten, sprachlich dichter, nette Pointen – geht doch.

Dem Publikum gefiel es.

 

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Von Heinz Niski

Handwerker, nach 47 Jahren lohnabhängiger Arbeit nun Rentner. Meine Helden: Buster Keaton, Harpo Marx, Leonard Zelig.

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