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Jetzt muss ich von einem Phänomen berichten, das einmalig in der SPD-Geschichte Gelsenkirchens ist. Die Phase des innerparteilichen Umbruchs zwischen 1970 und 1975 führte nämlich dazu,

dass sich hinter den offiziellen, d. h. hinter den von der Satzung vorgesehenen Organisationsstrukturen der Partei neue Strukturen bildeten, in denen die eigentliche Willensbildung stattfand.

Bildhaft gesagt: Wie beim Film lief der Streifen auf der Leinwand ab, gedreht wurde er aber woanders. Am Beginn dieser Entwicklung stand die Tatsache, dass wir einer gewaltigen Übermacht gegenüberstanden, die nicht nur alle Entscheidungsgremien der Partei beherrschte, sondern auch über den Apparat und über die informellen Kanäle verfügte. Außerdem hatte sich um Löbbert eine Art Kungelkreis gebildet, der intern wichtige Sitzungen vorbereitete.

Dieser wurde „Waldhauskreis“ genannt, da er sich in der Buerschen Gaststätte „Waldhaus“ traf. Später verlegte man die Zusammenkünfte in das Jugendheim an der Düppelstraße, ein Ort, den wir dann scherzhaft als die „Düppeler Schanzen“ bezeichneten.

Und was hatten wir? Wir hatten die Juso-Organisation selbst, die aber unter Aufsicht des Parteiapparates stand, wir hatten eine verschwindend geringe Anzahl von Spitzengenossen als Bündnispartner, und wir hatten vereinzelt und mehr zufällig Kontakte zu Genossinnen und Genossen in den Ortsvereinen und den anderen Arbeitsgemeinschaften, die mit uns sympathisierten. Das war’s schon. Es ging also kein Weg daran vorbei: Wollten wir wenigstens ansatzweise Paroli bieten können, mussten wir eigene Informations- und Kommunikationsstrukturen aufbauen, die weit über den kleinen Jusobereich hinausgingen. Das war notwendig und eine zwingende Voraussetzung dafür, um so etwas wie eine halbwegs ernstzunehmende „Gegenmacht“ organisieren zu können.

Um diese Erkenntnis in die Tat umzusetzen, trafen sich eines Tages sechs Menschen unter einem Apfelbaum. Das sollte die eigentliche Geburtsstunde einer schlagkräftigen innerparteilichen Opposition sein, die schließlich zur Mehrheit wurde.

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Von Hans Frey

Hans Frey (geb. 24.12.1949 in Gelsenkirchen, verw., drei Kinder) studierte Germanistik und Sozialwissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum und arbeitete dann als Studienrat an einem Gelsenkirchener Gymnasium. 1980 wurde er in den Landtag von Nordrhein-Westfalen gewählt, dem er bis 2005 angehörte. Seit dieser Zeit lebt er (formal) im Ruhestand. Neben der Politik war und ist Hans Frey publizistisch und künstlerisch engagiert. U. a. kreierte er 1996 als Drehbuchautor und Regisseur die Stadtrevue „Ja, das alles und mehr…“, gab sieben Jahre lang das Stadtmagazin DIE NEUE heraus und gehörte 2004 zu den Mitinitiatoren der Kunstausstellung RUHRTOPIA in Oberhausen. Im September 2007 war er Mitbegründer von gelsenART e. V., Verein zur Förderung von Kunst und Kultur im Ruhrgebiet. Unter seinen Buchveröffentlichungen finden sich u. a. - der fantastische Roman „Die Straße der Orakel“, der in einer Antike spielt, die man so aus den Geschichtsbüchern nicht kennt (2000), - das Sachbuch „Welten voller Wunder und Schrecken – Vom Werden, Wesen und Wirken der Science Fiction“ (2003), ein umfangreiches Werk, das alle Facetten der Science Fiction beleuchtet, - und sein aktuell letztes Buch (September 2009), der erste Band seiner politischen Autobiografie „Ja, das alles und mehr! – Geschichte und Geschichten aus 35 Jahren Politik“ mit dem Titel: „Wilder Honig“.

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