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Der folgende Beitrag geht anhand von vier Stadtgedichten der Frage nach, wie Dichter auf die Stadt reagierten. Drei der Gedichte stammen aus der Phase des Expressionismus, eines aus der Pop-Musik der Gegenwart.

 


Da es wesentlich um die unterschiedlichen Blicke auf das Leben in einer Großstadt geht (und nicht um eine umfassende Analyse bzw. Interpretation), werden stilistische Aspekte weitgehend vernachlässigt. Die Stadt ist eines der bevorzugten Sujets der Dichtergeneration des Expressionismus (1905-1925), zu der Georg Trakl und Alfred Lichtenstein gehören. Diese Hinwendung zum Thema Stadt ist leicht erklärbar: in den ersten beiden Dekaden des 20. Jahrhunderts entwickelten sich die Städte nahezu explosionsartig. Die Jahre um die Jahrhundertwende waren, allgemein gesprochen, durch die Beschleunigung aller Lebensbereiche (industrielle Fabrikproduktion, Verkehr, Kommunikation) und durch die Entwicklung hin zur Vermassung und durch das Anwachsen der Städte gekennzeichnet.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass noch um 1870 in Deutschland mehr als 60 % der Werktätigen in der Landwirtschaft beschäftigt waren. Die vorkapitalistische Kleinstadt war zu dieser Zeit der vorherrschende Siedlungstyp. Nun aber entwickelten sich mit ungeheurer Rasanz die Großstädte. Die Bevölkerung im Kaiserreich wuchs: ca. 67 Millionen Menschen lebten 1914 in Deutschland, davon bereits rund 2/3 in den Städten. Als Beispiel kann die Entwicklung Berlins dienen: Hatte die Stadt im Jahre 1850 rund 400 000 Einwohner, so waren es im Großraum Berlin um 1900 bereits fast zwei Millionen Einwohner, und zu Beginn der zwanziger Jahre annähernd vier Millionen (eine ähnliche Entwicklung ist für Wien festzustellen).

Die Reaktion der jungen Dichtergeneration der Expressionismus auf diese Entwicklung war durchaus zwiespältig. Ihre Gedichte oszillieren zwischen hymnischer Begeisterung und Dämonisierung, wobei die Gesamtheit des städtischen Lebens ins Blickfeld der Autoren gerät: Vermassung und Einsamkeit, Verkehr und Technik, Theater, Cafés und Kinos, Elektrizität, Autos, Omnibusse, Proletarierelend und Prostitution, Gewalt und Triebhaftigkeit, Fabrik und Maschinenwelt, Ich- und Transzendenzverlust. Verallgemeinert kann man sagen, dass die Stadtgedichte, wie die Lyrik des Expressionismus insgesamt, der Ausdruck eines Krisenbewusstseins waren, das auf die gewaltigen technischen, gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und philosophischen Entwicklungen reagierte.

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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