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Aaron Logan: Feuerspucker - Diese Datei ist unter der Creative Commons-Lizenz Namensnennung 1.0 US-amerikanisch (nicht portiert) lizenziert.zugegeben: der film (the innocence oft the muslims) ist sowohl inhaltlich als auch ästhetisch ein fürchterliches machwerk.

diletantische schauspieler grimassieren vor sich hin und bewegen sich wie stabpuppen, das man kaum hinschauen mag (das einige von ihnen in einer schriftlichen erklärung nun behaupten, sie hätten nicht gewusst, an was für einem werk sie mitarbeiten, gereicht ihnen aus meiner sicht eher zum nachteil. sie sind also nicht nur miserable schauspieler, sondern auch noch dumme miserable schauspieler).

filmtechnisch ist der streifen unterirdisch und von der dramaturgie und der regie her auf einer nach unten offenen skala kaum bewertbar. der prophet und seine gefolgsleute werden als lüsterne , gewalttätige, blutrünstige deppen dargestellt.

gespenstisch sind das zustandekommen des films und seine finanzierung, dunkel sind die hintermänner- und es mag sogar sein, dass es stimmt, was in dieser woche der SPIEGEL zu berichten weiß, dass nämlich die „schauspieler“ getäuscht worden seien und man nach der fertigstellung des drehs völlig andere texte als die von den darstellern bei den aufnahmen gesprochenen hineinsynchronisiert hat.

mag alles sein!

spielt aber in der öffentlichen debatte kaum eine rolle – denn der film wird nur noch als das gesehen, was er wohl sein sollte: eine hingekotzte provokation der muslime und eine verächtlichmachung mohammeds.

aber- oh! wunder- genau so hat er seine wirkung entfaltet: man ist mal wieder zutiefst beleidigt in der islamischen welt. und dieses tiefe beleidigt sein, das sich immer wieder wie ein grippe-virus verbreitet und über ländergrenzen hinweg die menschen ansteckt, bedarf der öffentlichen verkündigung.

im stillen kämmerlein beleidigt sein – so ganz für sich alleine – das geht nicht. und deshalb: gleichermaßen entfesselte wie gut organisierte mobs (die mal eben ohne probleme zugriff auf panzerfäuste, gepanzerte fahrzeuge und waffen aller art haben, wenn sie sich spontan empören) greifen zu mord und totschlag, vandalismus, brandstiftung und dergleichen mehr. und zeigen damit eine fratzenartige seite des islam, die den film auf seltsame art und weise zu bestätigen scheint: ja, die die blutrünstigen moslems, die im film auftreten, an gewalt und zerstörungswut noch übertrifft.

wobei die frage gestellt werden kann, aber unbeantwortet bleiben muss, wer die „spontane“ empörung (wahrscheinlich via handy und facebook) der beleidigten organisiert und aus wem sich, unter soziologischen gesichtspunkten betrachtet, der mob zusammensetzt (h. m. broder hat in diesem zusammenhang- sinngemäß- mal polemisch die frage aufgeworfen, ob die demonstrierenden empörten alle keine arbeit und keine familie haben, so dass immer zeit zum „empören“ zur verfügung steht, und was sie machen, wenn sie sich gerade mal nicht empören).

und der „westen“ oder die „christliche welt“ (wenn man das überhaupt so pauschal sagen kann) reagiert reflexhaft: man entschuldigt sich für das machwerk, man erwägt, es zu verbieten – zumindest aber seine aufführung einzuschränken (ein in zeiten des internets schon kaum mehr leistbares unterfangen – gibt man den filmtitel jetzt bei youtube ein, gehen die filmschnipsel sowie die langfassungen und die reaktionen darauf in die hunderte und tausende).

mal umgedreht: hat sich irgendeine regierung eines islamischen landes (oder auch nur eine bedeutende muslimische organisation) jemals für die verfolgung von christen, die zerstörung von kirchen oder die repressalien gegen andersgläubige „entschuldigt“? gibt es stimmen aus diesem bereich, die den hitlerdarsteller aus dem iran für seine drohungen, israel von der landkarte auszulöschen, offiziell gerügt haben? gibt es einen finanziell potenten magnaten aus der „islamischen welt“, der ein kopfgeld auf diejenigen ausgesetzt hat, die für die ermordung salman rushdies mehr als 2,6 millionen dollar ausgelobt haben?

und noch mal andersherum: man stelle sich das propagandistische trommelfeuer vor, das enfaltet würde, wenn „christliche gruppen“ – aus empörung über attentate, christenverfolgungen oder hetztiraden, die jesus, gott und die bibel, den papst oder sonstwen beleidigt haben, vor botschaften islamisch geprägter staaten zögen, um dort zu brandschatzen und die botschaftsangehörigen zu töten.

und noch anders: die mehrheit der islamischen welt sieht zu – ohne sich darüber zu empören – , wie diktatoren aus den eigenen reihen die eigenen glaubensbrüder (oder gehören sie der „falschen strömung“ des islam an?) abschlachten – wie tagtäglich in syrien.

hier hätte man allen grund, „beleidigt“ zu sein- über einen „glaubensbruder“, der glaubensbrüder wegen des schnöden machterhalts unterdrückt und tötet.

aber nichts davon!

stattdessen empört man sich wohlfeil über ein filmchen, das durch die organisierten proteste (hasspuppen und verbrennfahnen sind immer schnell zur hand) überhaupt erst eine aufmerksamkeit bekommen hat, die es nicht verdient. und hier bei uns wird um verständnis für die empörung geworben – es geht ja schließlich um religiöse gefühle, die verletzt werden, oder?

Mensch -Ey! Prinzessin auf Zelluloid - Karikatur: Uli Queste

oder geht es um etwas anderes: will man nicht auf den fuß getreten werden, den man in der tür zur arabischen oder muslimisch geprägten welt hat? ist das verständnis für die empörung nur der ideologische schleier für geostrategische und wirtschaftliche interessen? stört der pöbel auf der straße mit seinem lärmen den stillen abschluss von geschäften (egal ob export von wirtschaftsgütern oder import von öl?) und werden in diesem zusammenhang die fundamentalen rechte, auf die unser gemeinwesen gründet (gleichheit vor dem gesetz, redefreiheit, freiheit der meinung und des glaubens, und freiheit der kultur- selbst für einen miserablen film) auf dem altar einer art von appeasement-politik geopfert, die – abermals und immer wieder- die grundgedanken einer von den ideen der aufklärung getragenen zivilgesellschaftlichen verfasstheit verrät?

immerhin würde das zur hauptlinie heutiger politik passen, wo man dem „lupenreinen demokraten“ im kreml zärtlich die wange streichelt, solange nur das gas prompt fließt.

und auch mit der chinesischen führungsriege sitzt man lächelnd beim teezeremoniell auf dem sofa – hauptsache, audi und vw unterliegen keinen einfuhrbeschränkungen. und spuckt dabei nicht nur in die aufgestellten porzellantöpfe, sondern auch auf die unwürdigen arbeitsbedingungen und löhne für die arbeiter, die für uns produzieren und die schon mal zu serienselbstmorden führen.

und da wird man doch erst recht verständnis für beleidigte religiöse gefühle entwickeln können!

seine unschuld hat „der westen“ also längst verloren! hier wird eine eigentümliche widersprüchlichkeit offenbar als gegeben hingenommen: das, was bei uns gemeingut ist (siehe oben) will man den islamisch geprägten staaten nicht zumuten oder abverlangen; sie sollen nicht überfordert werden; die ungleichzeitigkeit zwischen der dortigen ökonomischen sphäre, der technisch- kommunikativen entwicklung (die in weiten teilen der unseren ähnelt) auf der einen seite und der verwurzelung in einer nicht-laizistisch geprägten welt der (relgiösen) anschauungen wird als gegeben akzeptiert. und deshalb entschuldigt man sich und prüft die einschränkung von freiheitsrechten.

das aber ist genauso grottig wie dieser film! führt mich aber zu der abschlussüberlegung, ob sich daraus nicht ein geschäft machen ließe. da es ja in der muslimisch geprägten welt in schöner regelmäßigkeit auch weiterhin anlässe für empörung geben wird, denke ich zur zeit über einen internet-shop nach, über den ich hasspuppen, verbrennfahnen , schilder mit den aufgedruckten texten „ich fühle mich beleidigt“ und andere empörungsdevotionalien vertreibe.

produzieren lasse ich vorzugsweise in den ländern, in denen die empörung am größten ist. das wäre doch eine win-win-situation für alle und könnte zugleich der verständigung dienen.{jcomments on}

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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