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Wer sich für schwachsinnige Plots, platte Dialoge, dümmliche Witze und einfältige Figuren begeistern kann, ja, der wird seine helle Freude an den Büchern um Käpt´n Sharky haben, zu denen Jutta Langreuter die Texte und Silvio Neuendorf die Bilder beisteuert.

Den Auftakt zu der Reihe macht der Band „Käpt´n Sharky und das Geheimnis der Schatzinsel“, in dem wir Sharky (einen kleinen Jungen) selbst, seine Mannschaft (eine Ratte und ein Papagei) und Michi (geht in die 1. Klasse) kennenlernen. Die beiden Jungen, offensichtlich ohne zu Hause und Eltern aufwachsend und der Kontrolle der staatlichen Fürsorge entkommen, begegnen sich, als Sharky, der mit der Ratte und dem Papagei und seinem Piratenschiff das Meer befährt, Michis Boot entert und ihn gefangen nimmt. Dieser schreckliche Pirat fesselt Michi mit dem Gürtel seiner Hose, löst aber alsbald diese Fesselung wieder, weil er – wie es in der Geschichte heißt – „verlegen“ feststellt, dass ohne Gürtel seine Hose rutscht.

Weil das Piratendasein so anstrengend ist, macht Sharky samt seiner Kuscheldecke erst einmal ein Nickerchen am Schiffsmast, das unterbrochen wird, als die Ratte (die als Schiffskoch fungiert) das Essen auftischt (Bohnen mit Zwieback), zu dem Michi natürlich eingeladen wird. Nach dem Essen zeigt Sharky Michi eine Flaschenpost. Michi gelingt, was Sharky bisher nicht geschafft hat: er fingert das vergilbte Blatt aus der Flasche. Und natürlich handelt es sich bei dem Blatt Papier um die Karte einer Insel, die übrigens die Form einer Schildkröte hat. Bei einer Palme, die auf der Karte zu sehen ist, ist ein Kreuz eingezeichnet. Und der Tölpel von Pirat schließt messerscharf, dass dort ein Schatz vergraben ist. Natürlich weiß er, wo diese Insel liegt („aus der die kleinen Schildkröten immer aus den Eiern schlüpfen“), und so steuert er mit einer Hand sein Schiff dort hin, während er mit der anderen Hand sein Gesicht „in seine Kuscheldecke“ kuschelt.

Als Michi und Sharky an besagter Insel angekommen sind, beginnen sie an der gekennzeichneten Palme nach dem Schatz zu graben, finden dort aber ein Nest mit Schildkröteneiern (war das zu vermuten, dass auf einer Insel, die die Form einer Schildkröte hat und wo die kleinen Schildkröten immer (!!!) aus den Eiern schlüpfen, Schildkröteneier im Sand liegen?). Mit bestechender Logik schlussfolgert Sharky, dass der Schatz unter den Eiern liegt. Aber er meint: „Kleine Schildkröten sind auch wichtig“. Und so entscheidet er, ein anderes Mal den Schatz zu holen, erst einmal aber die Schildkröten schlüpfen zu lassen.

Michi steckt heimlich eines der Eier in seine Hosentasche (!!). Während der Rückfahrt von der Insel knistert und knackst es in Michis Hosentasche und er legt das Ei vorsichtig auf die Schiffsplanken. Eine Schildkröte schlüpft, die Michi Isi nennt. Sharky und Michi beschließen, sich bald wieder zu sehen (was eine gute Voraussetzung für einen Folgeband ist!). Zum krönenden Abschluss dieses Unsinns krächzt dann auch noch der Papagei „Isi, Isi“. Zum ersten Mal hat der Papagei gesprochen. „Michi und der kleine Pirat schauen sich an und lachen.“ (Ende)

Der Schwachsinn des Handlungskerns der Geschichte und die Dümmlichkeit der Figuren wird von zwei Aspekten überboten: der penetranten ökologischen Botschaft („Kleine Schildkröten sind auch wichtig!“) und den infantilen Dialogen mit der Sharky-Bezeichnung für sein Lieblingsgetränk Wasser („Gluglu“) als Höhepunkt. Da er ja ein Kind ist, darf er zwar nicht zum klassischen Piratengetränk Rum greifen, aber immerhin unbeaufsichtigt auf dem Meer herum schippern und Wasser trinken.

Die Geschichten um Sharky und Michi sind das Pendant des Coppenrath-Verlages für Jungen zu den Mädchenbüchern um Prinzessin Lillifee, hier geht es also um die Emanzipation in Form von Schwachsinn für beide Geschlechter. An seinem Piratenhut trägt Sharky als Zeichen einen stilisierten Hai (Englisch: shark, welch ein Wortwitz!) mit einer Augenklappe. Dieser Hai ziert zumeist auch die mehr als 150 Merchandising-Artikel, die es (ebenfalls als Pendant zu den in Rosa gehaltenen Lillifee-Artikeln für Mädchen) gibt.

Das Vorlesen von Sharky-Geschichten, eventuell sogar das wiederholte Vorlesen, muss jedes Elternpaar, vor allem aber Väter, ins Grübeln darüber bringen, ob die Entscheidung, ein Kind aufzuziehen, nicht doch eine Fehlentscheidung war – für das eigene Leben sogar eine größere Fehlentscheidung als das Setzen des Kreuzchens bei der letzten Wahl an der falschen Stelle.

Nun wird jedes nicht gerade tiefbegabte Kind, das aufmerksam zugehört hat, fragen: Aber Papa, diese beiden Jungen – haben die denn gar keine Eltern, dass die so alleine auf dem Meer mit ihren Booten fahren dürfen?

Wenn man nicht die Wahrheit sagen will („Diese Geschichten sind eben einfach Schwachsinn hoch 3“), dann muss man wohl zu einer Notlüge greifen und sagen: Na ja, das ist doch nur so eine Phantasie von Michi, der vor sich hin träumt und gerne Abenteuer erleben will. Der hat bestimmt Eltern, die sich um ihn kümmern.

Und das Kind wird weiter fragen: Aber der liegt doch am Anfang in seinem Boot. Immerhin darf er also ohne seine Eltern mit seinem Boot alleine im Hafen herum schippern. Das ist doch richtig, oder?

Und wir werden gezwungen sein zu antworten: Ja, das kann schon sein. Bestimmt haben die Eltern ihm das Boot geschenkt, und jetzt darf er damit ein wenig herum schippern.

Und dann wird das Kind sicher – nach einer kleinen, aber gewichtigen Pause des scheinbaren Nachdenkens – mit einem maliziösen Lächeln sagen: Dieser Michi, der geht doch in die 1. Klasse. Und ich bin doch schon in der dritten Klasse! Also zwei Jahre älter!

Und wir werden uns räuspern und einen leichten Schluckreiz bekommen, weil wir ahnen, woraus das hinauslaufen soll. Aber noch bevor wir einen Gedanken formuliert und ihn gar ausgesprochen haben, wird das Kind sagen:

Das ist ja gut. Dann könnte ich doch demnächst auch alleine mit dem Fahrrad zum Training auf dem Sportplatz fahren. Du müsstest morgen nur noch die Reifen mal wieder aufpumpen.

Und der Vater wird stumm nicken.

Dann wird alles gut, wird das Kind sagen und sich dann endlich umdrehen und einschlafen.

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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