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Neulich wurde ich ´mal wieder richtig erschreckt. Aber nicht beim Spaziergang im Stadtgarten, auf einem Parkplatz oder an einer Bahnhaltestelle. Und auch nicht von so einem armen Tropf, der meint, sich für ein paar Minuten Bedeutung zu verschaffen, wenn er als Clown friedliche Mitbürger dadurch erschreckt, dass er mit einem Hammer, einer Kettensäge oder einem Baseballschläger aus einem Gebüsch springt und „Buh“ macht. Schlimmer! Viel Schlimmer!

gruselstruwelDer Vorfall ereignete sich bei mir im Wohnzimmer, als ich mich nichtsahnend in die Tagesschau einklinkte und mir der Schreck in die Glieder fuhr, weil mir „Chucky, die Mörderpuppe“ aus dem Gerät ins Gesicht grinste. Erst beim zweiten Hinsehen erkannte ich, dass es nicht „Chucky“ war, sondern Martin Schulz, der Präsident des Europaparlaments, was aber mindestens genauso schlimm ist! „Chucky“, das Original,  jammert nicht rum, er ist eben einfach ein Killer und macht sein Ding. Aber Schulz jammerte rum, weil ihm die Wallonen auf die Nerven gingen – denn nur an den Wallonen drohte CETA zu scheitern, offensichtlich so etwas wie das Lebenswerk von Schulz, denn er maulte, dass er nach sieben Jahren Arbeit nicht mit leeren Händen dastehen wolle. Schnief, schnief! Mir kamen nach dem Schrecken nun fast die Tränen – der arme Mann, gedemütigt von einem kleinen, einem sehr kleinen Teil Europas, sozusagen einer politischen Mücke, die den Chef des Parlamentes gestochen hatte, der mich mimisch übrigens immer an eine Zauneidechse erinnert, die in die Kältestarre gefallen ist.

Aber mein Mitleid hielt sich doch sehr in Grenzen. Erstens weil ich Schulz nicht den Auftrag geben habe, mit Kanada über ein Freihandelsabkommen zu verhandeln – wie übrigens niemand in meinem Verwandten-, Freundes- und Bekanntenkreis sich erinnern kann, Schulz einen solchen Auftrag erteilt zu haben. Zweitens weil das Salbadern über dies und das und das offensive Hinweisen auf sein Engagement ihm bei der möglichen Suche nach einer neuen Arbeitsstelle – vielleicht als Bundespräsident, wo er dann noch öfter den Erschrecker geben könnte-  ein paar Bonuspunkte einbringen könnte.

Vor allem aber, weil unser Euro-Martin nicht verstanden hat, dass Demokratie doch auch (und vielleicht sogar ganz weit vorne) bedeutet, wie man mit Widerspruch und Minderheitenmeinungen umgeht und dass es ja sein könnte, dass die Wallonen das durchgehalten haben, was größere Nationen nicht geschafft haben: bei Verhandlungen alles in die Waagschale zu werfen, alles auszureizen, um etwas zu erreichen. Aber selbst wenn das nicht so wäre, wenn die Wallonen mit allem falsch lägen, was sie an Kritik äußern (oder geäußert haben), ist und bleibt es doch ihr gutes demokratisches Recht, eine eigene Meinung zu haben, sogar eine falsche  – vor allem aber auch eine andere als der Aushilfs-Chucky.

Und Herr Schulz sei daran erinnert: Wem gehört denn unsere Sympathie? Doch nicht dem Cäsarenreich, trotz seiner fixierten Gesetze, seiner Wasserleitungen, befestigten Straßen und öffentlichen Urinale, sondern dem kleinen gallischen Dorf mit seiner Ansammlung skurriler Gestalten, eigentümlicher Rituale, schlechter Sänger und seiner Vorliebe für Wildschweinbraten! Das kleine gallische Dorf lehrt uns die Kraft des Widerständigen, das Recht auf eine eigene Meinung und den Charme eines freien Geistes!

Da fällt mir noch ein: wenn es mal eine Fortsetzung (oder eine Neuverfilmung) von „Räuber Hotzenplotz“ gibt: die Rolle des Hotzenplotz – das wäre auch was für den Martin!

 

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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