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Für die jüngeren und jungen Leserinnen und Leser sei das Spiel kurz erklärt, das ich gelegentlich in meinen Kindertagen noch spielte. Man stellte sich in zwei Reihen gegenüber auf – mit einem gewissen Abstand natürlich. In jeder Reihe  bzw. Kette gab es einen Kaiser, die anderen Kettenglieder waren Soldaten. Der Kaiser einer Reihe rief, wenn das Spiel losging: Der Kaiser schickt seine Soldaten aus. Er schickt den Bernd aus. Die Mitglieder der anderen Kette fassten sich feste bei den Händen, und Bernd rannte los. Wenn es ihm gelang, die Kette zu durchbrechen, nahm er ein Kettenmitglied auf seine Seite mit. Gelang ihm der Durchbruch nicht, wurde er Mitglied der anderen Kette. Verloren hatte der Kaiser, der alle seine Soldaten an die andere Seite verloren hatte und alleine übrig blieb!

Im Kern ist es dieses Spiel, das Erdogan seit einiger Zeit und verstärkt in den letzten Tagen mit der bundesrepublikanischen Kette und ihrer Kaiserin spielt. Er schickt einen Soldaten (bzw. Minister seiner Regierung) nach dem anderen los- und die Kanzlerinnenkette hat dem nichts entgegen zu setzen. Außer wohlfeilen Sätzen im Dutzend, diplomatisches Säuseln als Hintergrundgeräusch und das Bitten um Einhaltung von Anstandsregeln.

In der Auseinandersetzung mit dem Sultan aus Ankara geht es aber nicht um Tischsitten und die Frage, welches Glas zu welchem Wein gehört. Es geht um Machtpolitik- wie es in dem obigen Spiel ja auch letztlich um Macht geht – mit dem Mittel der (kriegerischen) Eroberung.

Jetzt wird es uns aber zu bunt! Na ja, ein wenig!

Aber selbst an die Tischsitten hält sich Erdogan nicht. Um im Bilde zu bleiben: Er rülpst und furzt ständig. Aber nicht, weil es ihm geschmeckt hat (In dieser Luther-Zeit sei an die dem Reformator zugeschriebene Frage erinnert: Warum  rülpset und furzet ihr  nicht. Hat es euch nicht geschmecket?). Sondern weil er auf Krawall gebürstet ist und weil er die Bundesrepublik in der Hand hat. Und deshalb hat er jetzt mit seinem Nazi-Vergleich die größtmögliche Provokation gezündet. Ein Dictum übrigens , das in den letzten rund zwei Jahren unsere Regierung und etliche  Leitmedien gegenüber den Kritikern der Flüchtlingspolitik gerne gebraucht haben.

Jetzt müssen ein paar Empörungsfloskeln in die Mikrophone gehaucht werden – aber eben nur gehaucht. Und ansonsten drückt sich unsere Regierung um eine klare Position – sehr zur Freude des Liebhabers karierter Hemden, der am Bosporus  steht und eine Fahne schwenkt, auf der der Schriftzug zu lesen ist: Öffnung der Flüchtlingsroute!  Unsere Regierung verschanzt sich hinter dem Föderalismus (Zuständigkeit der Kommunen bei Veranstaltungsgenehmigungen) und hinter Brandschutz- und anderen Sicherheitsbestimmungen. So tritt aber kein souveräner Staat auf!  Ein souveräner Staat würde sich auf das Staats- und Völkerrecht berufen. Etwa mit dem Ergebnis, zu dem der Völkerrechtler Cristian Tomuschat gekommen ist, der sich zur Frage der Duldung von Auftritten ausländischer Politiker wie folgt geäußert hat:

Aus staats- und völkerrechtlicher Sicht ist die Antwort eindeutig: Nein, Deutschland muss Wahlkampfauftritte ausländischer Politiker nicht dulden. Denn als Staatsmann in einem anderen Land Innenpolitik machen, das geht nicht – sagt Völkerrechtler Christian Tomuschat von der Humboldt-Universität zu Berlin:

Der Auftritt eines Ministers ist nicht der Auftritt eines Privatmannes. Er erscheint hier als Organ eines fremden Staates und nimmt eine hoheitliche Handlung wahr, die auf dem Boden eines anderen Staates nicht stattzufinden hat. (quelle: http:// www.mdr.de/nachrichten/politik/inland/wahlkampfauftritte-tuerkischer-politiker-verbieten-100.html)

Und dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob bzw. dass Erdogan auf dem Weg in eine türkische Diktatur ist!

Meine Türken- deine Türken

Erdogan betrachtet die hier lebenden Türkinnen und Türken als Bewohner einer türkischen Provinz, etwa so, als wenn deutsche Politiker die Insel Mallorca wegen der zahlreichen dort dauerhaft oder zeitweilig lebenden Deutschen  als Außenposten der Bundesrepublik ansehen würden. Daraus leitet Erdogan ab, jederzeit – nach seinem Gutdünken – in die Bundesrepublik kommen zu können, um hier die Interessen seiner „Landsleute“ zu vertreten. Durch ihr Nicht-Handeln unterwirft sich die Regierung der Bundesrepublik im Grunde dieser Auffassung, die aber brandgefährlich ist.

Russland hat im Falle der Krim auch den Anspruch erhoben, den russischstämmigen Bürgern zu Seite zu stehen. Was die Ukraine angeht, sehen wir eine ähnliche Argumentation – nur dass in beiden Fällen – man denke an das Spiel – tatsächlich schon Soldaten ausgeschickt wurden. Nicht ohne Grund befürchten die baltischen Staaten, in denen es russische Minderheiten gibt, deshalb eine „Unterstützung“ dieser Minderheiten durch Moskau.

Dass Erdogan unter den hier lebenden türkischstämmigen Menschen so großen Anklang findet (allgemein wird geschätzt, dass etwa 60% der hier lebenden Türken ihn unterstützen) ist in diesem Zusammenhang ein ganz anderes Problem und weist eher auf die Fragwürdigkeit der bisherigen „Integrationsbemühungen“ hin, soll hier aber nicht weiter thematisiert werden.

Es reicht dazu zunächst ein Satz von Rolf Miller, der ´mal sagte:

Dass so viele Türken hier für Erdogan sind, das ist ja so, als wenn Freilandhühner für Käfighaltung demonstrieren würden.

 

 

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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Peter

Zitat: Dass so viele Türken hier für Erdogan sind, das ist ja so, als wenn Freilandhühner für Käfighaltung demonstrieren würden.

Damit ist das aufwendige, aktionistische Geschäftsmodell der „Integration“ trefflich auf den Punkt gebracht.

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