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zu einer Zeit, als Löcher in den Hosen noch als Zeugnis der Armut galten, sagte mein Klassenlehrer immer: „die Hose darf ruhig geflickt sein, Hauptsache ihr bleibt sauber und ordentlich“ – was konkret und gleichzeitig metaphorisch gemeint war und uns lehren sollte, wie wir unsere Würde bewahren und Anstand ausleben könnten.

Von der sozialen Herkunft war ich sicher nah am Schmuddelkind, musste deshalb nicht zu ihnen fliehen, um der bürgerlichen Langeweile zu entgehen. Noch heute habe ich keine Berührungsängste, auch wenn es dem Image schadet. Meine Neugier auf Menschen, Produkte, Traditionen fremder Kulturen und Länder ist geblieben. Ich esse international, höre, lese, sehe so. Ich fahre einen Dacia. Aus Rumänien.

Meine neue Nachbarschaft aus Rumänien und Bulgarien ist ähnlich aufgeschlossen und fährt deshalb Völker verständigend deutsche Autos. BMW und Mercedes. Meist weiß und meist in den oberen Klassen angesiedelt. Ich mag das, diese gegenseitige Wertschätzung, den Respekt und die Achtung vor der Leistung des anderen.

Die einen cruisen luxeriöse schneeweiße Sehnssuchtszeugnisse der Präzision, von fein austarierten Regelwerken der Ingenieurs- und Handwerkskunst, durch Gegenden mit dem Charme des Niedergangs und Verfalls, die anderen hängen Träumen von Freiheit und Ekstase nach, so wie uns Folklore und Vorurteil, Carmen und Gypsy Kings vermittelt haben.

Die Wahrheit – hier Realität – ist leider nicht wie die Kunst, nicht erhaben. Sie ist medioker. Banal. Trivial. Realitätsüberwindung ist deshalb die vornehmste Aufgabe des Künstlers, zu dem ich mich hier kurzfristig deklarieren möchte. Für mein Kunstprojekt „Feldmarker Objet trouvés“ dokumentiere ich seit einigen Wochen verloren gegangene Objekte, Stimmungen, Aktionen, heute unter anderem ein im Stich gelassenes Zweit- oder Dritt-Auto mit einem orangenem städtischen Aufkleber, der dem Auto Böses verspricht, wenn es sich nicht selber freiwillig in die Wertstoffverwertungskette begäbe.

Kaum dass ich einen ersten Schnappschuss im Kasten hatte, öffnete sich ein Fenster über mir und zwei glutäugige Damen rabulierten mir die Welt, rauschhaft, ekstatisch, wild! Sie lockten damit offensichtlich einen Lohengrin an, der auf einem weißen Mercedes geritten kam, um mir das Verhältnis zwischen göttlicher Sphäre und Feldmarker Jammertal neu zu definieren.

Lohengrin plusterte sich vor mir auf, blieb aber dennoch eineinhalb Köpfe kleiner. Die Damen befeuerten ihn, doch zu wachsen, Impulsivität ejakulierend zu verteilen, wenn schon nicht auf Augenhöhe palavert werden könnte.

Lohengrin griff in die Schalker Trickkiste. „Ein Schalker darf das“ übersetzte er sich in „Ich darf mein Auto herrenlos herum stehen lassen, so lange ich will, aber mindestens noch 4 Wochen..“

Weil das weder überzeugte, ich mindestens genau so böse gucken konnte wie er, versuchte er eine anwesende Nachbarin damit zu beschämen, dass sie seinen Müll auf ihrem Grundstück nicht wertschätzen würde und deshalb verachtenswert wäre. Irgendwie Deutsch..

Ich verliere mich in Gedanken… und zitiere sinngemäß ein Gespräch mit einem Freund:

“ schlimm wird es erst, das weiß ich aus familiärer Erfahrung, wenn der Balkanese (sei es nun ein Bosnier, Serbe oder Kroate) auch noch anhebt, seine „Volksmusik“ vorzutragen – ewig melancholische oder euphorische, vor allem aber dramatische Darstellung von Gegebenheiten, Gefühlen und Banalitäten, Sehnsucht nach der Heimat (obwohl man hier gerne die Vorzüge unseres Systems genießt und ja auch hier bleiben will). Schlimm wird es – das kenne ich aber nur aus entsprechenden Fernsehbeiträgen, die bei meiner Verwandtschaft und Bekanntschaft laufen, wenn Männer beim Singen ihre Brustbehaarung zur Schau stellen und Frauen meinen, etwas (re-präsentieren zu müssen, (Outfit, Gestik, Mimik) was sie für sexy halten, mir aber immer eher etwas “billig“ bzw. “nuttig“ vorkommt. Ja, das ist schon eine Bereicherung (an Erfahrung)….

Womit wir wieder bei den Schmuddelkindern wären, mit denen zu spielen verboten ist. Die haben heute kein Rattenfell am Kragen, dafür das Kreuz der internationalistischen (wahlweise Kulturellen- Religiösen- Geschlechter etc. Solidarität) – und bleiben, was sie sind.

Projektionsfläche & Sehnsuchtsort, anarchische Kraft …… man muss es nur mögen. Aus der Ferne geht das.

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Von Heinz Niski

Handwerker, nach 47 Jahren lohnabhängiger Arbeit nun Rentner. Meine Helden: Buster Keaton, Harpo Marx, Leonard Zelig.

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